
Aufnahmeverbot für Ausländer Wie die US-Regierung Harvard unter Druck setzt
Die US-Regierung will Harvard daran hindern, Studierende aus dem Ausland aufzunehmen. Auch eingeschriebene Studierende sollen die Universität verlassen. Was sieht das Verbot vor? Und was sind die Hintergründe? Ein Überblick.
Was hat die US-Regierung entschieden?
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump will die Elite-Universität an der Aufnahme internationaler Studierender hindern. Heimatschutzministerin Kristi Noem habe entsprechende Schritte eingeleitet, teilte ihr Ministerium mit. Künftig dürfe Harvard im Rahmen eines eigens dafür vorgesehenen Bundesprogramms keine neuen Studierenden aus dem Ausland mehr aufnehmen.
Bereits eingeschriebene internationale Studierende müssten sich demnach nach anderen Hochschulen umsehen - sonst sollen sie ihren Aufenthaltsstatus in den USA verlieren. Noem erklärte, Harvard werde in diesem Zusammenhang eine staatliche Zertifizierung entzogen. Sie gab der Hochschule 72 Stunden Zeit, um die Forderungen zu erfüllen.
Warum ist der Schritt so gravierend für Harvard?
Die Universität benötigt die besagte Zertifizierung, um das "Student and Exchange Visitor Information System" - kurz SEVIS - zu benutzen. Dabei handelt es sich um eine Datenbank des Heimatschutzministeriums mit der die Einschreibung von Hunderttausenden von internationalen Studierenden in den USA verwaltet wird.
Für jeden ihrer Studentinnen und Studenten aus dem Ausland gibt Harvard die entsprechenden Daten im SEVIS ein, um darzulegen, dass die jeweiligen Personen die Immatrikulationsvoraussetzungen für Studentenvisa erfüllen. Verliert Harvard nun also den Zugang zum SEVIS, kann die Universität gegenüber den Behörden auch nicht mehr angeben, dass die Studentinnen und Studenten eingeschrieben sind, wodurch die Voraussetzungen der Visa entfallen.
Den Betroffenen, die vor der Entscheidung der US-Regierung noch eingeschrieben waren, könnte somit die Abschiebung drohen, wenn sie sich nicht an einer anderen Universität einschreiben oder auf andere Weise ihren Einwanderungsstatus anpassen, indem sie zum Beispiel einen Job annehmen.
Für Harvard und viele weitere US-Universitäten sind die Einnahmen internationaler Studierender ein bedeutender Teil des Budgets - nicht zuletzt, weil sie oft deutlich höhere Studiengebühren zahlen als inländische Studierende. In Harvard sind laut der Hochschule derzeit etwa 6.800 ausländische Studentinnen und Studenten - darunter 550 aus Deutschland nach Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes - eingeschrieben. Das entspricht etwa 27 Prozent der gesamten Studierendenschaft. Fallen sie nun weg, werden dadurch die Einnahmen der Universität massiv einbrechen.
Womit begründet die US-Regierung ihr Vorgehen?
Die Trump-Regierung begründet ihr Vorgehen mit einer angeblich verfehlten "Ideologie" der Universität und Antisemitismus auf dem Campus. Der Vorwurf bezieht sich vor allem auf pro-palästinensische Demonstrationen seit dem Beginn des Krieges im Gazastreifen am 7. Oktober 2023.
Mitte April hatte Heimatschutzministerin Noem Harvard in einem Schreiben aufgefordert, bis Ende April detaillierte Informationen zu ausländischen Studierenden vorzulegen - unter anderem zu möglichen illegalen Aktivitäten, Protestbeteiligungen oder Verstößen gegen Visa-Vorgaben. Dabei ging es auch um Berichtspflichten in Zusammenhang mit der Eintragung in der SEVIS-Datenbank. Noem erklärte nun, Harvard sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen.
Wie Rechtswissenschaftlerin Sarah Katharina Stein vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht gegenüber tagesschau.de erklärte, forderte Noem in ihrem Schreiben mehr, als von den Berichtspflichten der Universität im Rahmen der Visavergabe vorgesehen wird. "Universitäten müssen zum Beispiel Namen, Geburtstag, Nationalität und Matrikelnummer, aber auch die besuchten Kurse und über den Status des Studiums berichten." Die Heimatschutzministerin habe aber unter anderem alle Unterlagen für die letzten fünf Jahre gefordert - "inklusive Video- und Audioaufnahmen über illegale, gefährliche oder gewalttätige Aktivitäten und alle Disziplinarakten von allen internationalen Studierenden". Zudem sollten alle Video- und Audioaufnahmen von allen Protesten, an denen mindestens ein internationaler Studierender teilgenommen hat, übermittelt werden. Diese Forderungen gingen weit über die Vorgaben hinaus, so Stein.
Beim Sender Fox News warf die Heimatschutzministerin Harvard vor, nicht nur Proteste, sondern auch "gewalttätige Proteste" auf dem Campus zugelassen zu haben. Zuvor hatte sie die Universitätsverwaltung auf der Plattform X beschuldigt, Gewalt und Antisemitismus zu dulden und zudem auch eine "Kooperation mit der Kommunistischen Partei Chinas" auf dem Campus begünstigt zu haben. Beweise - oder wie sie zu diesen Behauptungen kommt - legte Noem nicht vor.
Vor dem jüngsten Schritt der US-Regierung hatten bereits acht Bundesbehörden angekündigt, Harvard weitere Fördergelder in Höhe von etwa 450 Millionen US-Dollar (403 Mio. Euro) zu streichen, wie die Task Force der Trump-Administration zur Bekämpfung von Antisemitismus mitteilte. Der Schritt erfolge zusätzlich zu den bereits auf Eis gelegten 2,2 Milliarden US-Dollar an mehrjährigen Bundeszuschüssen. Zur Begründung hieß es auch hier, die Universität habe wiederholt versäumt, gegen Antisemitismus auf ihrem Campus vorzugehen.
Kritiker werfen der Regierung vor, die Proteste an der Harvard-Universität und anderen Hochschulen lediglich als Vorwand zu nutzen, um politisch unliebsame Institutionen unter Druck zu setzen. Insbesondere als links geltende Universitäten würden demnach zunehmend ins Visier geraten - etwa wegen Programmen zur Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit, die auf den Abbau historischer Benachteiligung von Schwarzen, Frauen und anderen marginalisierten Gruppen abzielen.
Wie reagiert Harvard?
Ein Sprecher der Universität bezeichnete das Vorgehen der US-Regierung als "rechtswidrig". Es war von einer "Vergeltungsmaßnahme" die Rede, die Harvard und den USA "ernsthaften Schaden" zufüge und den akademischen Auftrag der Hochschule sowie ihre Forschung untergrabe. "Wir setzen alles daran, Harvards Fähigkeit zu bewahren, internationale Studierende und Wissenschaftler aus mehr als 140 Ländern aufzunehmen", hieß es darin weiter.
Anders als viele andere Hochschulen widersetzt sich Harvard offen den politischen Vorgaben aus Washington, die auch Zulassungsverfahren, Diversitätsprogrammen und Personalentscheidungen betreffen. Die Universität geht juristisch gegen die Maßnahmen vor. Im Zuge des Streits hat die Regierung bereits Fördermittel in Milliardenhöhe gestrichen oder eingefroren. Angesichts der finanziellen Einschnitte hatte Harvard-Präsident Alan Garber zuletzt angekündigt, auf ein Viertel seines Gehalts zu verzichten.
In einer Eilentscheidung stoppte eine Bundesrichterin das Verbot. Die Universität habe nachgewiesen, dass die Anordnung der Regierung einen "unmittelbaren und irreparablen Schaden" für Harvard bedeute. Damit dürfen Ausländer vorerst weiter dort studieren. Es könnten aber noch weitere Rechtsstreitigkeiten folgen, denn das Urteil ist noch nicht final.
Erhebt die US-Regierung ähnliche Vorwürfe gegen andere Universitäten?
Die US-Regierung geht nicht nur gegen Harvard vor - insgesamt sind 60 Universitäten und Hochschulen betroffen. Bereits mehreren Einrichtungen wurden Gelder gestrichen und weitere Kürzungen angedroht. Auch hier begründet die Regierung ihr Vorgehen mit angeblichem Antisemitismus im Zuge pro-palästinensischer Demonstrationen.
Im Visier stehen auch Programme zur Förderung benachteiligter Gruppen - sogenannter DEI-Programme (Diversity, Equity, and Inclusion - Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion). Sie sollen gezielt Personengruppen fördern, die aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder Hautfarbe Benachteiligungen oder Diskriminierung erleben. Die Universitäten und Hochschulen müssen weitreichende Auflagen erfüllen, etwa zu Zulassungsverfahren, Verhaltensregeln und Personalentscheidungen. Auch der Kampf gegen den Klimawandel wird von der Regierung kritisiert.
Die Universitäten gehen unterschiedlich mit den Drohungen um. So lenkte die Columbia-Universität in New York ein und reformierte unter anderem ihre Disziplinarverfahren gegen Studierende. Doch wie im Falle von Harvard gibt es auch Widerstand. Mehr als 100 Universitäten und Hochschulen prangerten etwa in einem öffentlichen Brief die Einflussnahme von Seiten der US-Regierung an.
Welche Bedeutung hat die Harvard Universität?
Harvard gehört zu den renommiertesten Universitäten der Welt und belegt regelmäßig Spitzenplätze in internationalen Rankings. Mehr als 160 Nobelpreisträgerinnen und -preisträger hat Harvard bereits hervorgebracht; auch viele Persönlichkeiten der US-Politik studierten an der Hochschule im Bundesstaat Massachusetts - etwa die Ex-Präsidenten John F. Kennedy, George W. Bush oder Barack Obama. Die 1636 gegründete Universität ist zudem die reichste in den USA. Das Stiftungsvermögen betrug im Jahr 2024 rund 53 Milliarden Dollar (rund 47 Milliarden Euro).