Rückhaltedämme für das Wasser des Flusses Lonza nach der Lawine in Blatten

Nach Gletscherabsturz in der Schweiz "Der See hat einen Durchlass gefunden"

Stand: 31.05.2025 08:16 Uhr

Nach dem Gletscherabbruch in der Schweiz wird das Risiko einer Flutwelle geringer. Aus dem See hinter dem Schuttkegel fließt Wasser ab. Ein unkontrollierter Durchbruch wird damit unwahrscheinlicher - dennoch ist Vorsicht geboten.

Das Lötschental im Schweizer Kanton Wallis ist nach dem massiven Gletscherabbruch am Mittwoch einer weiteren Tragödie vorerst entgangen. Der hinter einem gigantischen Schuttkegel aufgestaute Gebirgsfluss Lonza hat sich neue Wege ins Tal gesucht, das abgestürzte Eis-, Fels- und Geröllmaterial ist weitgehend stabil geblieben und die zeitweise befürchtete Flutwelle oder eine Gerölllawine sind vorerst nicht eingetreten. 

Dass das Wasser langsam abfließt, sei eine "gute Nachricht", sagte Jonas Jeitziner vom Regionalen Führungsstab im Lötschental der Nachrichtenagentur dpa. "Das heißt, der See hinter dem Schuttkegel hat einen Durchlass gefunden."

Zuvor hatte bereits der Kantons-Geologe Raphaël Mayoranz gesagt, dass sich am unteren Ende des Schuttkegels kleine Wasserläufe gebildet hätten. Je mehr Wasser auf diese Weise abfließen könne, desto geringer sei die Gefahr eines plötzlichen großen Wasseraustritts.

Wasser aus dem Fluss Lonza fließt über Schlamm und Steine nahe des Dorfes Blatten.

Versunken in Wasser, Schlamm und Geröll: Der Ort Blatten ist nahezu komplett zerstört.

Neue Lagebeurteilung erwartet

Das Flussbett der Lonza ist seit Mittwoch durch gigantische Geröllmengen blockiert. Dahinter ist ein riesiger See entstanden, der den Behörden Sorge bereitet hat. Immer noch sei damit zu rechnen, dass sich mit dem Wasser auch Geröll oder Eis aus dem gigantischen Schuttberg löse und abgehe.

Die Gemeinden Gampel und Steg informierten die Bevölkerung in der Nacht, dass nun Baumaschinen eingesetzt werden, um den Abfluss sicherzustellen. "Es geht darum, den reibungslosen Ablauf von Geröll und Schwemmholz durch das Bachbett der Lonza innerhalb der Dorfschaften zu gewährleisten", hieß es. Gampel und Steg liegen rund 20 Kilometer unterhalb des verschütteten Dorfes Blatten.

Das Gelände dort sei relativ flach und das Flussbett der Lonza weit, so dass der Krisenstab eine Gerölllawine weitgehend ausschließe.

Karte Schweiz mit dem Kanton Wallis und den Orten Blatten, Ferden, Gampel, Steg

Die Gemeinden Gampel und Steg liegen unterhalb von Blatten.

Karte mit Blatten und einer Visualisierung des Gletscherabbruchs

Die Animation zeigt, wo das Wasser der Lonza fließt.

Der Schuttkegel selbst wird mit Drohnen und einer Webcam überwacht. Experten schätzen, dass ein Drittel der neun Millionen Kubikmeter im Schuttkegel Gletschereis ist - welchen Einfluss die Schmelze auf die Geröll- und Felsmasse hat, ist schwer abzuschätzen.

Blatten nahezu vollständig zerstört

Das Katastrophengebiet liegt im oberen Lötschental auf rund 1.500 Metern. Oberhalb des Dorfes, am gut 3.300 Meter hohen Kleinen Nesthorn, ist seit Wochen instabiler Fels abgebrochen. Weil immer mehr Felsbrocken und Geröll 500 Meter runter auf den Birschgletscher donnerten, brach dieser am Mittwochnachmittag ab und stürzte samt Geröll und Steinen ins Tal.

Das Dorf Blatten ist fast völlig unter meterhohem Schutt verschwunden. Die meisten der wenigen Häuser, die verschont blieben, sind durch das aufgestaute Wasser der Lonza überflutet. Die rund 300 Einwohner waren vergangene Woche in Sicherheit gebracht worden. Ein Einheimischer, der sich am Mittwoch im Katastrophengebiet aufhielt, wird noch vermisst.

"Wie wegradiert"

Gemeindepräsident Matthis Bellwald sprach von einem "Ground Zero" in Blatten. "Die Geschichte von Blatten ist wie wegradiert", sagte er. Ganze Existenzen seien ausgelöscht, darunter drei Hotelbetriebe und Landwirtschaft. Alles, was nicht in einer Cloud gespeichert worden sei, sei weg. Zugleich versicherte er, dass der Ort wieder aufgebaut werde - wo, das könne er noch nicht sagen. Aber ein Lötschental ohne Blatten sei undenkbar.

Auch die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter hatte sich bei einem Hubschrauberüberflug ein Bild der Zerstörung gemacht. "Dass ein ganzes Dorf ausgelöscht wurde, ist unbegreiflich", sagte sie. Sie sicherte den Bewohnern weitreichende Unterstützung zu.

Der Schweizerische Versicherungsverband SVV bezifferte den entstandenen Schaden in einer ersten groben Schätzung auf umgerechnet mehrere hundert Millionen Euro. Wie viele Gebäude im Kanton Wallis versichert seien, sei unbekannt, sagte Pressesprecher Thilo Kleine dem Sender RTS. Im Wallis gibt es keine obligatorische Gebäudeversicherung.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 30. Mai 2025 um 20:15 Uhr.