Margot Friedländer
Nachruf

Margot Friedländer Ein Leben gegen das Vergessen

Stand: 09.05.2025 19:41 Uhr

Margot Friedländer hat den Holocaust überlebt, als Einzige aus ihrer Familie. Ihr Leben widmete sie einer Mission: Nie wieder sollen sich die Verbrechen der NS-Zeit wiederholen.

"Versuche, dein Leben zu machen", war die letzte Botschaft ihrer Mutter an Margot Friedländer. 1943 wurde ihr Bruder Ralf deportiert, ihre Mutter begleitete ihn in den sicheren Tod. Beide wurden im Konzentrationslager Auschwitz vergast.

Ohne diese Botschaft wäre Margot Friedländer ihrer Familie gefolgt. "Die Worte haben mir die Kraft gegeben, dass meine Mutter wollte, dass ich es versuchen soll." Die 21-Jährige tauchte unter, färbte die Haare, trug ein Kreuz und ließ sich die Nase korrigieren, damit sie nicht jüdisch aussah. Nach 15 Monaten verstecken wurde Margot Friedländer enttarnt und ins Ghetto Theresienstadt deportiert.

Nach der Befreiung zieht sie mit ihrem Mann, der wie sie seine gesamte Familie verloren hatte, in die USA. Sie nehmen die amerikanische Staatsbürgerschaft an, streichen das Ä aus ihrem Namen, heißen von dem Moment an Friedlander.

Doch in ihrem Innern fühlte sich Margot Friedländer staatenlos. Die Deutschen haben ihr ihren Pass abgenommen. Amerika sei niemals ihr Land geworden. Sie blieb weiterhin mit der alten Heimat verbunden, miteinander sprach das Paar immer nur deutsch. Nach dem Tod ihres Mannes Alfred Friedländer begann sie zu schreiben und sich Deutschland, Berlin so wieder zu nähern.

Annäherung an die Stadt der Kindheit

Margot Friedländer hätte viele Gründe gehabt, Deutschland, die Deutschen zu hassen. Stattdessen reichte sie ihnen die Hand. 2003 besuchte sie das erste Mal seit 1946 Deutschland.

Sieben Jahre später kehrte sie ganz zurück in die alte Heimat, zurück nach Berlin - in die Stadt - in der sie 1921 geboren wurde. In die Stadt, aus der ihr Bruder zusammen mit der Mutter in den Tod geschickt wurde. "Dass ich mich entschlossen habe, mit 88 Jahren New York aufzugeben, nachdem ich 64 Jahre dort gelebt habe, um zurückzukommen nach Berlin. Das ist, weil ich Berlinerin bin, ich gehöre hierher."

In ihrer Berliner Wohnung hängte sie die wenigen Familienfotos auf, die geblieben waren. Aus der alten Zeit war sonst nur ein Notizbuch, ihr Judenstern und die Bernsteinkette ihrer Mutter geblieben. Die trug sie auch als sie wieder die deutsche Staatsbürgerschaft annahm.

"Sie haben mir nur das zurückgegeben, was mir gehört hat, was man mir vor Jahrzehnten weggenommen hat", sagte sie bei ihrer Einbürgerungsfeier im Roten Rathaus.

Nie wieder

Mit den Menschen ihrer eigenen Generation tat sie sich schwer, weil sie möglicherweise damals mitgemacht hatten. Deshalb ging sie immer wieder in Schulen, erzählte Jugendlichen ihre Geschichte. "Ich möchte nicht, dass ein Mensch so etwas erleben muss, was wir erlebt haben, was damals gemacht wurde. Es ist nicht für mich. Was war, war. Aber es darf nie wieder geschehen."

Nie wieder, so ihr Wunsch, sollen sich die Verbrechen des Nationalsozialismus wiederholen. Dieser Mission hat sie ihr Leben gewidmet, hat Hunderte Lesungen, Vorträge gehalten, für die gesprochen, die es nicht mehr konnten. Für ihre Mutter, ihren Vater, ihren 17-jährigen Bruder. Für die sechs Millionen ermordeten Juden. Für Friedländer war es eine "Beruhigung", den Toten eine Stimme geben zu können.

Doch sie wollte nicht nur teilen, sie hatte auch eine Botschaft für ihr Publikum, für die Zukunft, dass sie die Zeitzeugen sein müssen. "Wir sind alt. Für die jungen Menschen gebe ich die Aufgabe, dass sie die Zeitzeugen sein sollen, die wir nicht mehr lange sein können."

Es gibt viele Sätze, die sie an vielen Stellen wiederholt hat, Sätze, die sich bei denen festsetzen sollten, festgesetzt haben, die ihr begegnen durften. "Ich bin gekommen, um euch die Hand zu reichen. Ich tue es für euch. Seid Menschen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 09. Mai 2025 um 20:00 Uhr.