Fähnchen der Partei FDP stehen auf einem leeren Tisch.

FDP-Parteitag "Die Partei ist in einer tiefen Krise"

Stand: 16.05.2025 01:33 Uhr

Die FDP braucht nach der Niederlage bei der Bundestagswahl den Neustart - und muss sich dafür einmal mehr neu erfinden. Heute beginnt in Berlin der Parteitag, bei dem es nicht nur um die Zukunft der FDP geht.

Von Lissy Kaufmann, ARD-Hauptstadtstudio

Wie steht es um die FDP, um die liberale Idee in Deutschland? Eine, die es wissen muss, ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, stellvertretende Vorsitzende der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Ihre Antwort fällt düster aus: "Der Liberalismus ist in einer tiefen Krise. Die FDP ist in einer tiefen Krise", sagt sie.

4,3 Prozent der Stimmen bekam die FDP bei der Bundestagswahl am 23. Februar. Zu wenig, um es wieder ins Parlament zu schaffen. "Das ist ein klarer Ausdruck dessen, dass Liberalismus im Moment nicht die Strömung ist, die die Bürgerinnen und Bürger zuallererst wünschen", sagt Leutheusser-Schnarrenberger. Die FDP und der Liberalismus - zwischen Niederlage und Neubeginn.

FDP thematisch zu stark eingeschränkt?

Wie konnte es so weit kommen? Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder von der Universität Kassel wirft der FDP vor, sich thematisch zu stark eingeschränkt zu haben. Schröder, einst Mitglied der SPD-Grundwertekommission, sieht sogar einen Verrat an der liberalen Idee: "Die FDP hat sich in der Regierung wenig um die Weiterentwicklung der liberalen Idee und Praxis gekümmert, sondern hat eine zutiefst dogmatische, fast orthodoxe Positionierung im ökonomischen Bereich praktiziert und damit der liberalen Idee einen Bärendienst erwiesen."

Zuletzt schien es in der FDP vor allem zwei Themenbereiche zu geben: Wirtschaft und Finanzen. Und nur um eine Person: Christian Lindner. Niemand in der Partei wagte es, ihn offen in Frage zu stellen. Schließlich hatte er die FDP nach dem ersten Rauswurf aus dem Bundestag 2013 wieder auf die Erfolgsspur gebracht. 2021 sogar in die Regierung. Doch die sah sich mit enormen Herausforderungen konfrontiert: der Krieg gegen die Ukraine, der Streit über das sogenannte Heizungsgesetz - und ums Geld.

Das Bundesverfassungsgericht entschied 2023, dass übrig gebliebene Corona-Hilfen nicht einfach für den Klimaschutz ausgegeben werden dürfen. Im Bundeshaushalt klaffte plötzlich ein Milliardenloch. Und die Schuldenbremse wurde für die FDP zum zentralen Thema. Für Leutheusser-Schnarrenberger war das thematisch zu wenig: "Es ist der Begriff der Verengung da ja zurecht immer genannt worden. Der hat mich schon früher in der Partei umgetrieben", sagt sie.

Einst gab es einen linksliberalen Flügel

Dabei hatte die Partei einst einen stärkeren linksliberalen Flügel. Der kürzlich verstorbene Ex-Innenminister Gerhart Baum zählte dazu. Für seinen Einsatz für Freiheit und Menschenrechte hat ihn die Bundesrepublik vor zwei Jahren geehrt, mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern. 

Auch Leutheusser-Schnarrenberger gehört zu denen, die sich vor allem um bürgerrechtliche Themen sorgen: Als Justizministerin trat sie vor 20 Jahren zurück, weil sie die geplante akustische Wohnraumüberwachung nicht mittragen wollte. Den sogenannten "Großen Lauschangriff". Es sollte in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung eingegriffen werden. Leutheusser-Schnarrenberger zog dagegen sogar vors Bundesverfassungsgericht und brachte das Vorhaben zu Fall.

"Wir haben jetzt nichts zu verlieren"

Sie ist überzeugt, dass es jetzt für die FDP wieder aufwärtsgehen kann. "Wir können im Moment auch mutig sein. Wir haben jetzt ja nichts zu verlieren", sagt sie. Und: "Wir haben junge Leute, die kreativ sind, die auch ein bisschen quer denken - nicht nur in den alten Bahnen, wie wir es bisher gemacht haben."

Zu den jungen Leuten zählt Nicole Büttner, 40 Jahre alt, KI-Unternehmerin aus Baden-Württemberg. Die designierte Generalsekretärin will weg vom strikten Fokus auf Steuern und Finanzen, die Partei zur modernsten Deutschlands machen.

Auch Franziska Brandmann, 31 Jahre, bisher Vorsitzende der Jungen Liberalen, will mitwirken: "Auch andere Leute müssen nach vorn kommen und sagen: So ich habe ein neues Konzept, eine neue Idee oder ein neues Thema, mit dem ich Menschen für die FDP begeistern möchte."

Suche nach sich selbst

An die Spitze der Partei soll aber ein Gesicht aus dem Team Lindner: Ex-Fraktionschef Christian Dürr. Seine Kandidatur begründete er im März mit Blick auf das Schuldenpaket, für das auch das Grundgesetz geändert wurde. Dürr kritisierte: Das gehe auf Kosten der Stabilität des Staates und auf Kosten der jungen Generation. "All das zeigt, dass die einzig liberale, nicht-etatistische Partei Deutschlands wieder eine Rolle spielen muss. Und genau deshalb möchte ich mich dafür engagieren." Es klingt nach dem bekannten Fokus auf Finanzen und Schuldenbremse.

Reicht das für den Neustart? Die FDP wird sich bei ihrem Parteitag jedenfalls auf die Suche nach sich selbst begeben. Mehr als 40 inhaltliche Anträge liegen vor. Viele Diskussionen sind zu erwarten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 16. Mai 2025 um 08:22 Uhr.