Diese jungen Frauen studieren Theologie und wollen katholische Priesterinnen werden: Ihre Bewerbungen liegen bei Weihbischof Würtz. Er leitet das Priesterseminar in Freiburg.

Baden-Württemberg Berufswunsch Priesterin: Viel Rückenwind für Freiburger Theologie-Studentinnen

Stand: 28.05.2025 13:00 Uhr

Weiblich, katholisch, mutig: Neun Theologie-Studentinnen haben sich in Freiburg als Priesterinnen beworben - als Zeichen gegen Diskriminierung in der Kirche. Weihbischof Würtz reagiert.

Von Anita Westrup

Mit dieser Post hat der Leiter des Freiburger Priesterseminars nicht gerechnet: ein großer Umschlag mit mehreren Bewerbungen - geschrieben von Theologie-Studentinnen der Uni Freiburg. Sie wollen Priesterinnen werden und ihren Berufswunsch öffentlich machen - als Zeichen für mehr Gleichberechtigung in der katholischen Kirche. Die Bewerbungen liegen auf dem Schreibtisch von Weihbischof Christian Würtz. Er hat die Studierenden Anfang Juni zu einem Gespräch eingeladen. Bis dahin wollen noch weitere Studentinnen diesen Schritt wagen - "gegen die Ohnmacht", wie sie es ausdrücken. Viele Gläubige stehen hinter den jungen Frauen und auch von der Uni Freiburg gibt es Rückendeckung. Könnten die Bewerbungen tatsächlich etwas verändern?

Theologie-Studentinnen wollen Kirche und Priesteramt für alle öffnen

Es sind eigentlich nur DIN-A4-Blätter in einem großen braunen Umschlag. Bewerbungen auf das Priesteramt? Nichts Besonderes. Doch wenn Frauen dahinter stecken, ist die Aufmerksamkeit groß. "Wir fühlen uns zu dem Beruf hingezogen und wir wollen aktiv werden und aus der Ohnmacht herauskommen", erzählt Vera Fath entschlossen. Sie studiert im sechsten Semester Theologie an der Uni Freiburg und hat gemeinsam mit acht weiteren Kommilitoninnen vergangene Woche ihre Bewerbung im Erzbischöflichen Priesterseminar Collegium Borromaeum abgegeben. "Es war ein Moment der Erleichterung und des Empowerings", sagt Fath.

Sie will für eine gerechtere Kirche einstehen: "Wir absolvieren das gleiche Studium wie angehende Priester, und die Limitierung ist immer wieder das Geschlecht, das ist frustrierend", so die Studentin mit dem Regenbogen-Armband ums Handgelenk. Fath wünscht sich, dass der Priesterberuf geöffnet wird, nicht nur für Frauen, sondern für alle Menschen - unabhängig von ihrem Geschlecht. Sie ist Teil der Initiative "MeinGottdiskriminiertnicht", die sich 2020 gegründet hat. Einem Netzwerk von Theologiestudierenden, das sich für eine diskriminierungsfreie Kirche einsetzen. Das Motto: Kein Mensch darf wegen seines Geschlechts und/oder seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden.

Social-Media-Beitrag auf Instagram von meingottdiskriminiertnicht

Auch Felicitas Höing hat ihre Bewerbung in der Schoferstraße eingereicht. Sie trägt eine Kette mit einem goldenen Kreuz. Auch sie ist im sechsten Semester ihres Theologiestudiums. Sie ist fest davon überzeugt, dass sie als Priesterin ein großer Gewinn für die Erzdiözese wäre. Das hat sie auch genauso in dem Anschreiben an den Weihbischof formuliert. Doch die Aussicht, dass ihr Berufswunsch wohl nur ein frommer Wunsch bleiben wird, bringt sie in Rage.

Es ist unglaublich, dass wir unsere Chancen verwehrt bekommen. Wir wären eigentlich eine riesige Bereicherung, die so nicht gesehen wird. Theologie-Studentin Felicitas Höing über das Verbot der Frauenweihe in der katholischen Kirche

Wenn sie sich anschaue, wer mit ihr studiere und wer sich beworben habe, dann denke sie immer mehr, "was ist das für ein riesiger Verlust für die Kirche?" Höing betont: "Wir bringen so viel mit, so viele Kompetenzen, so viele Perspektiven und Blickwinkel." Die ablehnende Haltung der katholischen Kirche gegenüber der Weihe von Frauen löst bei ihr Wut, Frust und Resignation aus, wie sie erzählt. "Ich möchte in so einer Kirche nicht arbeiten", sagt sie energisch. Höing ist froh, Geographie im Zweitfach zu studieren, um mehr Optionen zu haben.

Weihbischof Würtz: "In der Kirche hat sich schon viel getan"

Adressat der Bewerbungen ist Weihbischof Christian Würtz, der das Priesterseminar leitet. Auf seinem Schreibtisch türmen sich dutzende Bücher, und obenauf liegen die Bewerbungsschreiben der Studentinnen. "Ich habe alle gelesen, sie sind noch nicht geschreddert und liegen griffbereit", sagt Würtz mit dem Umschlag in der Hand. Über Instagram, berichtet er, sei er zunächst darauf aufmerksam geworden. Dann ging er zum Postfach und dachte sich: "Interessante Aktion, da kommen wir ins Gespräch."

Die Einladung ist schon raus: Am kommenden Montag, 2. Juni, wird es ein Treffen zwischen den Studentinnen und ihm geben. Er möchte in den Austausch gehen, über theologische Fragen diskutieren, zum Beispiel: Was bedeutet es, als Priester berufen zu sein? Ihm geht es auch darum, die persönliche Motivation hinter den Bewerbungen zu verstehen.

Weihbischof Christian Würtz leitet das Freiburger Priesterseminar seit sechs Jahren. Sein offizieller Titel lautet Regens.

Weihbischof Christian Würtz leitet das Freiburger Priesterseminar seit sechs Jahren. Sein offizieller Titel lautet Regens.

Große Hoffnungen wird er den jungen Frauen jedoch wohl nicht machen können. Würtz verweist auf Papst Johannes Paul II., der vor gut 25 Jahren in dem Schreiben "Ordinatio Sacerdotalis" entschied, dass die katholische Kirche nicht die "Vollmacht" habe, Frauen zu Priesterinnen zu weihen. Darüber hinaus gebe es noch viele andere Argumente, die immer wieder angeführt werden, so Würtz. Eines davon sei: "Jesus selbst war eben ein Mann und der Priester repräsentiert Jesus Christus selbst, deshalb kann es nur ein Mann sein." Oder es werde mit der langen Tradition begründet, dass es immer nur Männer gewesen seien.

SWR-Reporterin Anita Westrup im Gespräch mit Weihbischof Christian Würtz:

Nichtsdestotrotz bleibt die Frage, welche Rolle die Frau in der katholischen Kirche einnehmen kann, so Würtz. Das könne durchaus ausgeweitet werden. "Es ist ja nicht so, dass sich in der katholischen Kirche gar nichts bewegt", stellt der 53-Jährige fest.

Würtz führt an, dass es immer mehr Ämter und Funktionen gebe, in denen auch Frauen an entscheidender Stelle mitbeteiligt seien: "Als ich vor 20 Jahren in Freiburg an der Fakultät studiert habe, waren es ausschließlich Professoren. Mittlerweile haben wir auch Professorinnen, und eine Frau leitet die Katholische Hochschule."

Ich bin jetzt gut 50 Jahre alt und wenn ich schaue, was sich in der Kirche in diesem Zeitraum geändert hat, hat sich schon viel geändert. Weihbischof Christian Würtz, Leiter des Freiburger Priesterseminars

Obwohl Würtz nicht zu den Bischöfen zählt, die sich aktiv für die Priesterweihe von Frauen in der katholischen Kirche starkmachen - wie etwa Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz -, kann er ihren Berufswunsch gut nachvollziehen. Die Studentinnen seien in einer Ära aufgewachsen, in der Angela Merkel als Bundeskanzlerin, Kamala Harris als US-Vizepräsidentin und Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin die politische Bühne prägten. "Es ist im 21. Jahrhundert eine Situation, wo die Kirche neue Antworten finden muss auf die Frage der Rolle der Frau", betont er.

Das Collegium Borromaeum in Freiburg
Das Erzbischöfliche Priesterseminar Collegium Borromaeum gründete sich 1827 in Freiburg. Seit fast 200 Jahren bildet es junge Männer zu Priestern aus. Die Ausbildung dauert acht Jahre. Wer sich dafür entscheidet, verpflichtet sich zum Zölibat. Weihbischof Christian Würtz leitet die Einrichtung als Regens. Derzeit gibt es 19 Priesteranwärter.

Theologische Fakultät: Keine Priesterweihe für Frauen ist "strukturelles Unrecht"

"Respekt für Freiburger Studentinnen" - mit diesen Worten beginnt eine Stellungnahme der Theologischen Fakultät der Uni Freiburg. Dekan Karlheinz Ruhstorfer zeigt sich von der Bewerbungsaktion der Studentinnen beeindruckt: "Es ist sehr mutig, es ist ein subversiver, symbolischer Akt, der sehr wichtig ist." Diese Aktion halte die Diskussionen am Leben, während das Thema von offizieller kirchlicher Seite weitgehend ignoriert werde, so der Theologe und Hochschulprofessor. Die Frage, wie die katholische Kirche geschlechtergerecht werden kann und welche Zugangsbedingungen Frauen zum Priesteramt haben sollten, sei eines der drängendsten Themen unserer Zeit.

"Amt für alle": Dieser Slogan wurde auf die Straße vor dem Erzbischöflichen Ordinariat gesprayt.

"Amt für alle": Dieser Slogan wurde auf die Straße vor dem Erzbischöflichen Ordinariat gesprayt.

Gründe gegen die Priesterweihe von Frauen können Ruhstorfer aus theologisch-wissenschaftlicher Perspektive nicht überzeugen. Er erklärt: "Ein Hauptargument ist, dass Jesus beim Abschiedsmahl mit seinen Jüngern nur Männer in diesen Zwölferkreis mitaufgenommen hat, [...], damit wollte er die zwölf Stämme Israels versammeln, und von daher versteht man nicht, warum die offizielle kirchliche Lehre diese Stelle benutzt, um Frauen vom Priesteramt auszuschließen. Dann müsse man auch sagen, es dürften nur zwölf Bischöfe sein und alle Bischöfe müssten Juden sein. "Da sieht man die Absurdität der ganzen Argumentation, warum Frauen ausgeschlossen werden", betont der 62-Jährige.

In näherer und mittlerer Zukunft wird es wohl zu keinen Änderungen kommen, daher ist es umso wichtiger, dass man die Hoffnungen nicht aufgibt, dass dieses strukturelle Unrecht innerhalb der katholischen Kirche nicht vergessen wird. Karlheinz Ruhstorfer, Dekan der Theologischen Fakultät der Uni Freiburg

Ruhstorfer ist überzeugt, dass es kaum zu Veränderungen kommen werde, solange diese nicht von der obersten Kirchenführung gewollt seien. Der aktuelle Papst habe sich dazu durchweg ablehnend geäußert.

Social-Media-Beitrag auf YouTube von tagesschau: "Erwartungen an neuen Papst: Wunsch nach Reformen und Transparenz"

Maria 2.0-Sprecherin zu Bewerbung: "Finger in die Wunde legen"

Unterstützung kommt auch aus den Reihen der Frauen-Reformbewegung Maria 2.0. Gabi Schmidhuber gehört zu rund elf Frauen, die sich regelmäßig in Freiburg-Rieselfeld treffen und sich austauschen. Sie wollen Kirche verändern, zeigen, dass es auch anders geht. Die Bewerbungen der Thelogiestudentinnen auf das katholische Priesteramt hält Schmidhuber für eine "grandiose Idee". "Ich glaube, es legt, einen Finger in die Wunde, in eine Wunde, die viele Frauen schmerzt und zwar dieses Absprechen, dass Frauen sich wirklich zum priesterlichen Beruf berufen fühlen", so die Gymnasiallehrerin. Diese Berufung werde bisher in der katholischen Kirche nicht anerkannt. Ein erster Schritt sei es, anzuerkennen, dass Frauen und Männer, egal, welcher sexueller Orientierung, diese Berufung Priesterin oder Priester zu werden, spüren.

Bei Männern wird das immer mit dem Heiligen Geist begründet, warum sollte er bei Frauen nicht wirken? Gabi Schmidhuber, Maria 2.0-Sprecherin, Freiburg-Rieselfeld über die Berufung zum Priester/zur Priesterin

Schmidhuber glaubt, dass sich in der katholischen Kirche sehr langsam etwas verändert, vor allem im Bewusstsein vieler Katholikinnen und Katholiken. "Die klerikale, hierarchische, patriarchale Kirche sagt etwas und alle schlucken das, damit kommt man heute nicht mehr durch", ist sie sich sicher. Die Frauenfrage sei überall in der Welt aktuell und die Kirche müsse sich in der Hinsicht bewegen. Sie könnte sich deutlich schneller und deutlich mehr bewegen, aber dass sie sich bewegen müsse, das sei inzwischen in ganz vielen Köpfen angekommen.

An den neuen Papst Leo XIV. hat sie große Erwartungen - auch wenn angesichts der weltpolitischen Lage Frieden im Fokus stehe. "Wenn er sich in den ersten 100 Tagen nicht um die Frauenfrage kümmert, dann sehe ich es ihm nach, aber in den nächsten 100 Tagen würde ich mir ein Engagement in diese Richtung wünschen", so die Maria 2.0-Sprecherin.

Gabi Schmidhuber gehört zu rund elf Frauen, die sich im Freiburger Stadtteil Rieselfeld bei der Initiative Maria 2.0 engagieren.

Gabi Schmidhuber gehört zu rund elf Frauen, die sich im Freiburger Stadtteil Rieselfeld bei der Initiative Maria 2.0 engagieren.

Geweihter Priester und Jugendseelsorger: "Kirche braucht Öffnung"

Als Johannes Treffert die Bewerbung der Theologiestudentinnen fürs Priesteramt auf Instagram sah, war seine Reaktion eindeutig: Überraschung - und Hoffnung. "Ich war wirklich positiv überrascht und habe mich gefreut", sagt der katholische Priester und Jugendseelsorger aus Karlsruhe. "Das Thema liegt mir seit langem am Herzen. Ich positioniere mich klar: Die Kirche braucht eine Öffnung."

Treffert trat mit 21 Jahren ins Priesterseminar ein und wurde 2015 geweiht. Heute arbeitet er für den Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und begleitet junge Menschen auf ihrem Glaubensweg. Gerade deshalb spürt er den Frust, der sich bei vielen in seiner Arbeit zeigt - insbesondere, wenn es um Machtstrukturen und Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche geht. "Dieses Thema beschäftigt uns ständig. Viele junge Menschen empfinden die Kirche als ausschließend und ungerecht."

Architektonische Dreifaltigkeit: das Erzbischöfliche Ordinariat (links im Bild), das Erzbischöfliches Priesterseminar (rechts im Bild) und das Freiburger Münster.

Architektonische Dreifaltigkeit: das Erzbischöfliche Ordinariat (links im Bild), das Erzbischöfliches Priesterseminar (rechts im Bild) und das Freiburger Münster.

Treffert betont, dass sich kirchliche Haltungen über die Zeit verändern können - wenn auch langsam. "Der stete Tropfen höhlt den Stein", sagt er mit Blick auf andere Reformdebatten, wie etwa die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. "Je mehr Fakultäten, je mehr Stimmen Rückendeckung geben, desto mehr entsteht Bewegung. Der Synodale Weg ist dafür ein Beispiel."

Sendung am Do., 29.5.2025 9:30 Uhr, SWR1 BW Nachrichten

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