
Brandenburg Razzia gegen mutmaßlich rechtsextreme Terrorzelle in mehreren Bundesländern
Großeinsatz der Polizei in mehreren Bundesländern: Eine mutmaßlich rechtsextreme Terrorzelle steht im Visier der Behörden. Auch in Brandenburg gibt es eine Festnahme. Die Verdächtigen sind größtenteils minderjährig.
- Razzien in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen
- fünf Festgenommene, davon einer in Oberspreewald-Lausitz
- Sie sollen Mitglieder bzw. Unterstützer einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung sein
- Gruppe soll für Anschlagsplanung und Brandanschlag in Südbrandenburg verantwortlich sein
Die Bundesanwaltschaft ist am Mittwoch gegen eine mutmaßliche rechtsextreme Terrorzelle namens "Letzte Verteidigungswelle" vorgegangen. Insgesamt 13 Objekte wurden durchsucht.
Am frühen Morgen sind im Brandenburger Landkreis Oberspreewald-Lausitz sowie in Mecklenburg-Vorpommern und Hessen fünf Verdächtige festgenommen worden. Sie sollen unter anderem Anschläge auf Geflüchtete und politisch Andersdenkende geplant haben, wie die Behörde mitteilte. Die Verdächtigen sollen 14 bis 18 Jahre alt sein. Vier von ihnen seien mutmaßlich Mitglied der Vereinigung, einer mutmaßlich Unterstützer der Vereinigung, hieß es.

Minderjährige Verdächtige in Brandenburg im Fokus
"Wir haben gegen diese Personen Haftbefehle erwirkt, weil schwere Straftaten im Raum stehen, etwa der Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung - bei einigen Beschuldigten auch versuchter Mord und Brandstiftung", sagte die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Oberstaatsanwältin Ines Peterson, der ARD. "Die Beschuldigten werden nun dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt und dieser wird entscheiden, ob die Haftbefehle in Vollzug zu setzen sind."
Bei dem Verdächtigen aus Oberspreewald-Lausitz handelt es sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (DPA) um einen 15-Jährigen. Nach rbb-Informationen soll er in Altdöbern festgenommen worden sein. Ein weiterer 15-Jähriger aus dem Landkreis sitzt bereits in Untersuchungshaft. Nach DPA-Informationen fanden am Mittwoch Durchsuchungen in Altdöbern und Großräschen statt.
Weitere Razzien gab es auch in Sachsen und Thüringen. Diese Maßnahmen richteten sich gegen drei weitere deutsche Staatsangehörige, die bereits in Untersuchungshaft sind.
Anschlag und Anschlagsplanungen in Brandenburg
Den Angaben zufolge soll die Gruppe für den Brandanschlag auf das Kulturhaus in Altdöbern (Oberspreewald-Lausitz) im Oktober 2024 verantwortlich sein. Der Gebäudekomplex war seinerzeit von mehreren Personen bewohnt, die lediglich durch Zufall nicht verletzt wurden. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von ungefähr 500.000 Euro, so die Bundesanwaltschaft. Zwei Festgenommene hätten die Tat in einem Video angekündigt, um weitere Mitglieder zu ähnlichen Aktivitäten zu ermuntern.

Die abgebrannte Kultureinrichtung "Kultberg" im Mai 2025
Anfang Januar 2025 hätten drei der verhafteten Männer einen Brandanschlag auf eine bewohnte Asylbewerberunterkunft in Senftenberg geplant, so die Bundesanwaltschaft. Dazu habe einer der Männer in der Tschechischen Republik zwei Kugelbomben beschafft. Am 12. Februar waren im sächsischen Meißen eine Wohnung und eine weitere Immobilie durchsucht worden. Dabei wurde nach Auskunft der Generalstaatsanwaltschaft Dresden Sprengstoff in Form von zwei Kugelbomben gefunden, außerdem Schlagringe, Einhandmesser, Munition, Schreckschuss- und Softairwaffen. Da zwei der Verdächtigen vorher festgenommen wurden, sei es nicht zur Tat gekommen.
Als Reaktion darauf sind zusätzliche Schutzmaßnahmen für die Einrichtung veranlasst worden.
Es ist erschreckend, wie jung die Beschuldigten sind.
Brandenburgs Innenstaatssekretär Frank Stolper teilte mit: "Es ist erschreckend, wie jung die Beschuldigten sind." Die vorgeworfenen Taten seien äußerst schwerwiegend. "Es bleibt zu hoffen, dass die Festnahmen heute und die weiteren Ermittlungen eine abschreckende
Wirkung auf diese noch junge Szene haben werden."
Wer dabei sein will, muss Straftaten begehen
Die beiden 15-jährigen Tatverdächtigen aus dem Oberspreewald-Lausitz-Kreis sind laut ARD-Terrorismusexperte Michael Götschenberg Gymnasiasten, die nicht aus prekären Verhältnissen kommen.
Bei den Straftaten haben sie sich gefilmt. "Das war die Voraussetzung, um in diese Gruppe ("Letzte Verteidigungswelle") kommen zu können, dass man Straftaten begeht und auch durch Filmaufnahmen beweisen kann, dass man eine Straftat begangen hat", sagte Götschenberg rbb24. Einer der beiden gelte sogar als Rädelsführer dieser Gruppe.
Laut dem Terrorismusexperten standen die Gruppenmitglieder über Chats in Verbindung. So habe es einen Generalchat sowie Unterchats gegeben, die nach Bundesländern organisiert waren.
Bürgermeister: Entwicklung ist traurig
Sollte sich bestätigen, dass der in Altdöbern Festgenommene für Straftaten verantwortlich ist, wäre das "ein Trauerspiel", sagte der Bürgermeister der Gemeinde, Peter Winzer (SPD), dem rbb. "Die gesamte Entwicklung ist irgendwie traurig, weil die Leute sich auch selbst keinen Gefallen tun." Ihm sei schleierhaft, wo bei den Personen die Gesinnung herkomme - und die Motivation, solche Taten zu verüben. "Unterschwellig ist ja bekannt, dass wir auch eine rechte Szene in Altdöbern haben."

Hinweis durch Journalistin
Im April war bekannt geworden, dass eine Journalistin den Hinweis auf den geplanten Anschlag gegeben hatte. Sie war Teil eines größeren Teams aus Journalisten von "Stern" und RTL, das monatelang in der rechten Szene recherchiert hatte. Hilfreich gewesen seien die Recherchen des Reporterteams laut der Generalstaatsanwaltschaft Dresden auch für Ermittler, die sich um die Aufklärung des Brandanschlags auf das Kulturhaus "Kultberg" in Altdöbern kümmern [stern.de].
Verteidigung der "Deutschen Nation"
Die "Letzte Verteidigungswelle" soll spätestens im April 2024 gegründet worden sein, wie die Bundesanwaltschaft erklärte. "Die Mitglieder dieser Vereinigung verstehen sich als letzte Instanz zur Verteidigung der 'Deutschen Nation'", so die Karlsruher Behörde. "Ihr Ziel ist es, durch Gewalttaten vornehmlich gegen Migranten und politische Gegner einen Zusammenbruch des demokratischen Systems in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen."
Die oberste deutsche Strafverfolgungsbehörde wirft vier der Festgenommenen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor, einem die Unterstützung einer solchen Vereinigung. Drei sollen sogenannte Rädelsführer der Gruppe gewesen sein. Unter den Vorwürfen nennt die Bundesanwaltschaft auch versuchten Mord, Brandstiftung und Sachbeschädigung.
Verfassungsschutz warnte vor Gruppen junger Neonazis
"Besonders erschütternd ist: Alle heute Festgenommenen sollen bei Gründung der Terrorgruppe noch minderjährig gewesen sein", sagte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD). Es sei auch Aufgabe der Politik, der Radikalisierung gerade auch von Jugendlichen entgegenzuwirken.
Der brandenburgische Verfassungsschutz warnte zuletzt vor neuen, gewaltbereiten Neonazi-Jugendgruppen. Die Anhänger seien sehr jung und erinnerten stark an die Skinhead-Bewegung der 90er-Jahre, hieß es im April. Der damalige Verfassungsschutzchef Jörg Müller sprach von "subkulturellen Nationalsozialisten".

Ein Massenphänomen sei dies bislang nicht, es handele sich um Gruppen in zweistelliger Größe. Dazu zählten Gruppen wie "Jung und stark", "Letzte Verteidigungswelle" oder "Störtrupp". Sie sind stark in sozialen Netzwerken und über Bundesländergrenzen hinweg organisiert.
Ihre Feindbilder seien Homosexuelle, Migranten, linke Gruppen und Pädophile, so Müller. Zudem gebe es eine antisemitische Ausrichtung.
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.05.2025, 08.30 Uhr