Drei Schweinswale an der Wasseroberfläche.

Mecklenburg-Vorpommern Schleswig-Holstein Bedrohte Meeressäuger: Immer weniger Schweinswale in der Ostsee

Stand: 18.05.2025 09:57 Uhr

Die Populationen von Schweinswalen in der deutschen Ostsee schrumpfen dramatisch. Unterwasserlärm, Überfischung und die Veränderungen des Lebensraumes Ostsee durch den Klimawandel setzen den "Kleinen Tümmlern" zu.

Die Anzahl der Schweinswale vor den deutschen Ostseeküsten ist drastisch gesunken. "Die Population geht stark zurück", sagte die Leiterin der Landesstelle Ostseeschutz des NABU, Dagmar Struß. Sie nennt folgende Zahlen: Allein zwischen 2016 und 2022 sei die Zahl der gewöhnlichen Schweinswale (Phocoena phocoena) in der westlichen Ostsee von rund 42.000 auf etwa 14.000 Exemplare geschrumpft. Noch stärker sei der Rückgang in der inneren Ostsee, zwischen Kattegat und Bornholmer Becken. Der dortige Bestand, der bis nach Rügen und um den Darß reicht, zählt nach Schätzungen des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund nur noch rund 100 bis 1.000 Tiere. Diese Population sei akut vom Aussterben bedroht.

Stellnetze sind häufigste Todesursache der Schweinswale

Die Gründe sind zahlreich und menschengemacht: "Die Stellnetz-Problematik liegt ganz vorne, aber gleichzeitig ist es so, dass die Lebensräume auch immer weniger werden", so die NABU-Expertin. Viele Tiere würden sich in den Netzen verheddern und ertrinken. Wissenschaftler des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund untersuchen deswegen gerade ein Gerät, das Klicklaute aussendet und damit verhindern soll, dass Schweinswale als Beifang in Fischernetzen landen. Experten des Meeresmuseums Stralsund fordern außerdem, Fangmethoden zu entwickeln und umzusetzen, die Beifang verhindern. Gerade der ungewollte Beifang in Stellnetzen sei die häufigste Todesursache der Tiere. 

Unterwasserlärm stört die empfindlichen Tiere

Problematisch sind laut Struß auch Regionen, in denen Unterwasserlärm die Kleinen Tümmler störe. Denn bei Lärm oder anderen Störungen würden Wale sofort aufhören nach Nahrung zu suchen und sich am Meeresboden still verhalten, bis die Störquelle wieder verschwunden sei. Auch deshalb sind viele Tiere schlecht ernährt. Der Lärm beeinträchtigt die Meeressäuger in ihrer Orientierung und vertreibt sie schließlich aus ihrem Lebensraum. Denn Schweinswale nutzen zur Orientierung und Kommunikation ein Biosonar, ähnlich wie Fledermäuse. Sie senden Klicklaute aus und können so Beute oder Hindernisse im Meer ausmachen und oder andere Artgenossen warnen.

Klimawandel verschärfe die Probleme

Ein weiterer Grund ist der Rückgang der Fischbestände in der Ostsee. Wenn auch die Fischer ihre Existenz kaum mehr bestreiten können, "wird es auch für den Schweinswal knapp", so Struß. "Es ist so, dass die Probleme schon vorher da waren, aber der Klimawandel verschärft diese noch mal", erklärt die NABU-Expertin weiter. So würden sich Schweinswale vor allem von Hering ernähren, dieser aber leide besonders unter dem Klimawandel. Durch die Erwärmung der Ostsee würden die Heringe früher schlüpfen, keine Nahrung finden und schließlich verhungern. Dazu käme die Überfischung. In der Folge werden auch die Schweinswal-Populationen in der Ostsee immer kleiner - teilweise zu klein, als dass sich einzelne Tiere an die neuen Bedingungen durch den Klimawandel anpassen könnten, so Struß.

Experten fordern "Nationalpark Ostsee"

Die Lösung sehen Umweltverbände in einem stärkeren Schutz der Ostsee. Denn einzelne Zonen, in denen nicht mehr gefischt werden darf oder ruhige Zonen, in denen der Mensch keinen Unterwasserlärm verursacht, würden nicht ausreichen. Auch der Nährstoffeintrag in der Ostsee ist ein Problem. Schweinswale würden von einer sauberen Ostsee mit weniger Chemikalien profitieren. Nabu-Expertin Struß fordert deswegen einen "Nationalpark Ostsee". "Alle, die in irgendeiner Form negative Einflüsse auf die Ostsee haben, müssen sich ein Stück weit zurücknehmen." Denn der Schweinswal stehe exemplarisch für den Zustand der Ostsee und für ihre Schutzbedürftigkeit.

Gewöhnlicher Schweinswal
Der gewöhnliche Schweinswal (Phocoena phocoena) lebt als einziges Mitglied der Schweinswal-Familie auch in europäischen Gewässern. Die Säuger werden bis zu 1,80 Meter lang und orientieren sich mittels Echolokation, mit der sie sich ein akustisches Bild ihrer Umgebung machen. Erwachsene Tiere werden 45 bis 75 Kilogramm schwer und sind aufgrund ihres regen Stoffwechsels permanent auf Nahrungssuche. Sie ernähren sich in der Ostsee am liebsten von Heringen, Grundeln sowie kleineren Dorschen, in der Nordsee auch von Sandaalen und Seezungen. Mit zehn bis zwölf Jahren haben die Meeressäuger eine relativ kurze Lebenserwartung. Sie gelten global laut Roter Liste der IUCN nicht als "gefährdet", sind aber national und auf europäischer Ebene nach der sogenannten FFH-Richtlinie streng geschützt. Die Teilpopulation der zentralen Ostsee zählt heute weniger als 500 Tiere und gilt deshalb als vom Aussterben bedroht. (Quelle: NABU)

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 18.05.2025 | 13:00 Uhr