
Nordrhein-Westfalen NRW-SPD kritisiert Parteiführung und Regierungsbilanz
Ungewöhnlich offen kritisiert die NRW-SPD die Bundespartei. Kurz vor dem Regierungsstart in Berlin gerät Lars Klingbeil ins Visier. Und auch die Bilanz der SPD in Bundesregierungen kommt nicht gut weg.
Leitanträge zu Parteitagen sind normalerweise eher langweilig. Der Antrag der NRW-SPD für den Landesparteitag am 10. Mai in Duisburg hat es dagegen in sich. Das Papier lässt sich stellenweise als Abrechnung mit Parteichef Lars Klingbeil lesen, der ab Dienstag Finanzminister und Vizekanzler im Kabinett Merz werden soll.
Eine "fundamentale Krise unserer Glaubwürdigkeit", attestiert das Dokument der Partei. Verantwortet wurde der Antrag nach Parteiangaben vom Sonntag von NRW-SPD-Generalsekretär Frederick Cordes - der Landesvorstand stimmte einstimmig zu. Es ist eine Analyse des historisch schlechten SPD-Ergebnisses bei der Bundestagswahl 2025.
"Heft des Handelns aus der Hand gegeben"?
Der mitgliederstärkste Landesverband kritisiert die Rolle der SPD, das "katastrophale Bild" der Ampelkoalition und den "Stop-And-Go-Wahlkampf". Das Momentum nach dem Koalitions-Bruch sei verspielt worden, weil "erst das Heft des Handels über die Diskussion um den richtigen Wahltermin aus der Hand gegeben wurde und die Parteispitze die Diskussion über die Kanzlerkandidatur viel zu lange laufen ließ".
Offene Kritik also an den Co-Parteivorsitzenden Klingbeil und Saskia Esken. Andererseits gehört es ebenso zur Wahrheit, dass die Kandidatur von Kanzler Olaf Scholz gerade aus NRW torpediert worden war. Mehrere einflussreiche SPDler aus dem Westen waren für Boris Pistorius.
Auch an anderer Stelle wird Klingbeil kritisiert. Der Parteichef hatte nach dem Wahlerfolg 2021 gesagt, er wolle ein "sozialdemokratisches Jahrzehnt". Die Aussage sei "aus heutiger Sicht realitätsfern", heißt es im Leitantrag. 2021 sei weniger ein SPD-Wahlsieg, sondern "mehr eine Niederlage der anderen" gewesen. Ex-NRW-Ministerpräsident Laschet (CDU) hatte damals als Kanzlerkandidat die Bundestagswahl verloren.
Lage der Menschen "nicht ausreichend verbessert"
Der Leitantrag enthält viel Selbstkritik: "Seit 1998 regieren wir auf Bundesebene - mit einer Ausnahme - durchgehend mit oder führen Regierungen an. So wenig Sinn es macht, unser Regierungshandeln der letzten 25 Jahre mit einer blinden Fundamentalkritik zu überziehen, so sehr müssen wir anerkennen, dass sich die Lage für die Menschen, die besonders auf eine starke Sozialdemokratie angewiesen sind, in zentralen Politikfeldern nicht ausreichend verbessert hat."
Tatsächlich befinde sich die Partei schon "seit zwei Jahrzehnten in einer Phase der kleinen Aufs und großen Abs". In Nordrhein-Westfalen ist die SPD bereits seit 2017 in der Opposition. Ministerpräsident Hendrik Wüst und seine CDU liegen laut Umfragen seit Jahren weit vorne.
Klingbeil wird Gelegenheit haben, die Kritik mit den Sozialdemokraten in NRW zu diskutieren. Er wird nächsten Samstag beim Parteitag in Duisburg als Redner erwartet. Die NRW-Genossen wählen dabei ihren Vorstand neu. Die Co-Vorsitzenden Sarah Philipp und Achim Post wollen wieder antreten - nach derzeitigem Stand ohne Gegenkandidaten.
Unsere Quellen:
- Leitantrag auf der Internetseite der NRW-SPD
- NRW-SPD-Sprecher auf WDR-Anfrage
- Nachrichtenagentur dpa
- eigene Recherchen