Der Gedenkstättenleiter Mykola Borovyk steht vor dem alten Spinnerei-Werk, das zum KZ umfunktioniert wurde.

Sachsen Einzige KZ-Gedenkstätte in Sachsen bedroht: "Wir verlieren wichtige Zeugnisse des Terrors"

Stand: 08.05.2025 10:05 Uhr

Im Haushaltsentwurf von Sachsen ist keine Unterstützung für die Gedenkstätte KZ Sachsenburg vorgesehen. Ohne schnelle Hilfe droht die Schließung, warnen die Verantwortlichen. Auch andere Gedenkorte in Sachsen sind durch die Haushaltspläne bedroht, mahnt die Stiftung Sächsische Gedenkstätten. In Sachsenburg hofft man, die Mittel doch noch zu bekommen – denn der Gedenkstätte läuft die Zeit davon.

Von Philipp Lakomy, MDR Kulturdesk
  • Die Gebäude des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenburg sind teilweise in sehr schlechtem Zustand.
  • Um diese sichern zu können, hofft die Gemeinde Frankenberg im Landkreis Mittelsachsen auf Unterstützung vom Freistaat.
  • Die Frankenberger Gedenkstätte ist nicht die einzige, die mit einem ausgedünnten Haushaltsplan zu kämpfen hat.

Die Gedenkstätte KZ Sachsenburg bangt um ihre Zukunft. Im sächsischen Haushaltsentwurf für die Jahre 2025/26 sind keine finanziellen Mittel für den Gedenkort eingeplant. Mit diesen hatten die Verantwortlichen aber fest gerechnet, sagte der Gedenkstättenleiter Mykola Borovyk im Interview mit MDR KULTUR: "Es war eine Überraschung für mich, weil wir bisher immer Unterstützung bekommen haben."

Das alte Spinnereiwerk wurde gleich zu Beginn der Nazizeit in ein Konzentrationslager umgewandelt.

Das ehemalige Sachsenburg-Spinnereiwerk wurde gleich zu Beginn der Nazizeit in ein Konzentrationslager umgewandelt.

Mit den bereits bewilligten Fördermitteln für den ersten Bauabschnitt könne man zwar die Außenanlage instandsetzen, der Gedenkstätte laufe jedoch vor allem bei den ehemaligen Lager-Gebäuden die Zeit davon. Deshalb benötige es für den zweiten Bauabschnitt dringend finanzielle Unterstützung.

Gebäude des ehemaligen Konzentrationslagers verfallen

"Die ehemalige Kommandantur befindet sich in einem schlechten Zustand", sagte Borovyk und verwies auf Hausschwamm und sich zersetzende Holzbalken im Dach. Wenn man die Gebäude nicht schnell genug saniere, drohe der komplette Verlust der Bausubstanz.

In der alten Kommandantur kann man noch die engen KZ-Zellen sehen.

In der alten Kommandantur der heutigen Gedenkstätte KZ Sachsenburg sind noch Zellen erhalten.

Man würde "wichtige historische Zeugnisse des Terrors hier vor Ort" verlieren, warnt der Gedenkstättenleiter. Im ehemaligen Kommandanturgebäude befinden sich unter anderem gut erhaltene Lagerzellen, die für ein späteres Gedenkstättenzentrum von hohem historischem Wert wären.

In den Zellen lassen sich noch heute eingekratzte Inschriften einstiger Gefangener entdecken, die von ihrem Schicksal zeugen.

Infos zum KZ Sachsenburg (Zum Ausklappen)

Das KZ Sachsenburg bestand von 1933 bis 1937. Es enstand aus einem alten Spinnereiwerk. Das KZ Sachsenburg ist weniger bekannt als andere Lager, gilt aber als wichtige Entwicklungsstätte des deutschen Konzentrationslager-Systems.

Insgesamt wurden 10.000 Menschen in Sachsenburg inhaftiert und misshandelt, mehrere von ihnen getötet. Heute befindet sich auf dem Gelände die einzige KZ-Gedenkstätte in Sachsen.

Die alte Kommandantenvilla musste abgerissen werden, jetzt erinnert nur noch ein Schild an das Gebäude.

Die Villa des Kommandanten des Konzentrationslagers musste bereits abgerissen werden, jetzt erinnert nur noch ein Schild an das Gebäude.

Aktuell ist die Gedenkstätte ein Provisorium. Im Außenbereich gibt es Infotafeln, die über die damalige Aufteilung des Lagergeländes informieren. Außerdem gibt es in einem kleinen Ausstellungsraum eine Bilder-Chronologie zur Lagergeschichte.

NS-Geschichte in Frankenberg soll weiter erzählt werden

Die Fertigstellung der neuen, ausgebauten Gedenkstätte war ursprünglich für 2027 angedacht. Dann sollten auch die alte Kommandantur und Teile des großen Lagerbaus zugänglich sein. Dass die Mittel dafür nun ausbleiben sollen, besorgt auch Oliver Gerstner, den Bürgermeister von Frankenberg.

Jedes Jahr, das wir verlieren würden, wäre ein drohendes Ende der Gedenkstätte. Oliver Gerstner, Bürgermeister von Frankenberg |

Er verstehe zwar, dass die sächsischen Haushaltsmittel knapp seien, der Gedenkstätte laufe jedoch die Zeit davon: "Jedes Jahr, das wir verlieren würden, wäre ein drohendes Ende der Gedenkstätte insgesamt", sagte der Bürgermeister im Gespräch mit MDR KULTUR.

Frankenbergs Bürgermeister Oliver Gerstner lächelt in die Kamera.

Frankenbergs Bürgermeister Oliver Gerstner will das alte KZ-Gelände unbedingt als gesellschaftlichen Erinnerungsort erhalten.

Lange habe sich niemand um dieses historische Erbe gekümmert, so Gerstner. Für viele in der Bevölkerung sei es einfach "die alte Spinnerei". Dabei sei es wichtig, aufzuzeigen, welche Geschichte sich dahinter verberge: Dass die Grundlagen für die Vernichtungslager der Nazis in dieser Region liegen.

Auch andere Gedenkstätten in Sachsen unter Druck

Für die ausbleibende Förderung gibt es viel Kritik. Daniel Ristau ist Historiker und engagiert sich in der Stiftung Sächsische Gedenkstätten.

Die Landesregierung habe sich in den Koalitionsvertrag geschrieben, "eine sehr gut funktionierende, innovative und aktive Gedenkstätten-Landschaft" haben zu wollen, so Ristau. Das sei mit den jetzt eingeplanten finanziellen Mitteln aber nicht möglich.

Das ist ein System von Selbstausbeutung aus Idealismus. Daniel Ristau, Stiftung Sächsische Gedenkstätten |

"Die meisten – gerade auch kleinen – Gedenkstätten und Initiativen arbeiten schon am Limit", sagte Ristau. Es gebe zu wenig Personal, die Gedenkstätten seien chronisch unterfinanziert. "Das ist ein System von Selbstausbeutung aus Idealismus." Auch seine Stiftung sei von Kürzungen betroffen, außerdem werde alles immer teurer.

An den KZ-Zellen steht handschriftlich, wie lange die Insassen schon gefangen sind.

An den Wänden der Zellen im KZ Sachsenburg haben Insassen an die Wände geschrieben, wie lange sie schon gefangen sind.

Ristau hofft, dass die Engagierten wie in Frankenberg "ihren Mut nicht verlieren und an ihrem Engagement festhalten". Dafür benötige es mehr Geld. "Ohne das wird Erinnerungskultur in der Zukunft tatsächlich kleiner geschrieben", warnt Ristau. Im schlimmsten Fall müssten Einrichtungen geschlossen werden.

Bund hatte Unterstützung schon zugesagt

In der Gedenkstätte KZ Sachsenburg setzt Mykola Borovyk darauf, diesen Schritt vermeiden zu können. Auf Anfrage von MDR KULTUR teilte das zuständige Kulturstaatsministerium mit: "Der Freistaat Sachsen und der Bund arbeiten derzeit intensiv daran, eine Lösung im Rahmen der derzeit laufenden Haushaltsverhandlungen zu finden." Ziel sei es, die nötigen Mittel für den zweiten Bauabschnitt bereitzustellen und das Gesamtprojekt bis 2028 umzusetzen.

Wir können hier sehen, wie schnell unser normales Leben zerstört werden kann. Mykola Borovyk, Leiter der KZ-Gedenkstätte |

Mykola Borovyk fordert, dass alle Pläne der Gedenkstätte umgesetzt werden: "Dieser Ort erzählt, wie eine Demokratie in wenigen Wochen in eine Diktatur umgewandelt wurde." Das Lager erinnere daran, "wie schnell unser normales Leben zerstört werden kann, wenn es nicht verteidigt wird."

Quellen: Philipp Lakomy (MDR KULTUR), Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Gedenkstätte KZ Sachsenburg, Freistaat Sachsen
redaktionelle Bearbeitung: hro, lk