Das Lager durchliefen rund 1.000 Männer und 500 Frauen. Die Häftlinge waren jüdischer Herkunft und stammten größtenteils aus Polen und Ungarn. Die Aufnahme zeigt das KZ nach der Befreiung im Mai 1945.

Sachsen Görlitz bekommt erste Stolperschwelle

Stand: 08.05.2025 11:23 Uhr

Das Ende des Zweiten Weltkrieges liegt 80 Jahre zurück. Vielerorts wird daran mit Gedenkveranstaltungen erinnert. So auch in Görlitz. Hier sicherte das Kriegsende vielen Menschen das Überleben. Zwischen 1933 und 1945 war die Neißestadt Standort gleich mehrerer Lager: für Kriegsgefangene, für Zwangsarbeiter, aber auch Lager wie die Außenstelle Görlitz des KZ Groß-Rosen. Hier erinnert heute wenig an die Schicksale der Häftlinge. Das soll sich nun ändern.

Von MDR SACHSEN

Die Stadt Görlitz bekommt ihre erste Stolperschwelle. Verletzen kann und soll man sich nicht, wenn man darüber "stolpert". Sie soll Erinnerungsort sein, den Blick richten auf das Leid und das Unrecht, das im Biesnitzer Grund viele Menschen erlitten haben, so Daniel Breutmann von der Stolpersteine Initiative Görlitz. Die Stolperschwelle ist eine Messingplatte, zehn Zentimeter breit und einen Meter lang.

Zehn Stolpersteine nebeneinandergelegt ergeben eine Stolperschwelle. "Während ein Stolperstein für das Schicksal einer einzelnen Person steht, steht eine Stolperschwelle für hunderte oder tausende Menschen, die in Konzentrationslagern leiden mussten. So wie im Biesnitzer Grund", sagt Breutmann.

Gartenkolonie auf geschichtsträchtigem Boden

Dort wo heute Kleingärtner ihren Feierabend und die Wochenenden genießen, befand sich bis Mai 1945 das Außenlager Görlitz des Konzentrationslagers Groß-Rosen (heute Rogoźnica in Polen). Zunächst als Lager für Zwangsarbeiter 1939 errichtet, war es ab Sommer 1944 direkt dem KZ Groß-Rosen unterstellt. "Etwa 1.500 Menschen, Männer und Frauen jüdischer Herkunft, vor allem aus Polen und Ungarn waren hier inhaftiert", erzählt Breutmann.

Die Stolperschwelle steht auch für Shlomo Graber, heute Ehrenbürger von Görlitz. Er lebt in Basel, ist mittlerweile hochbetagt. Das Kriegsende hat er im Außenlager Görlitz erlebt, wo er am 8. Mai 1945 durch die Rote Armee befreit wurde. Wie seine Mithäftlinge auch leistete er Zwangsarbeit in der WUMAG, der Waggon- und Maschinenbau AG, ein Rüstungsbetrieb, wo unter anderem Motoren für Flugzeuge und Kriegsschiffe, Pumpen für V-Waffen, optische Geräte, gepanzerte Fahrzeuge und Granaten produziert wurden. Die Häftlinge in diesem Außenlager seien ebenso von SS-Wachmannschaften geprügelt, von Kapos schikaniert worden, so man es auch aus Auschwitz, Ravensbrück und den anderen Konzentrationslagern kenne, so Breutmann.

Sie wurden von SS-Wachmannschaften geprügelt, von Kapos schikaniert.  All das was man auch mit Auschwitz, Ravensbrück und den anderen Konzentrationslagern verbindet. Daniel Breutmann | Historiker

Verscharrt wurden die Toten in Massengräbern im Umfeld des Lagers. Nach dem Kriegsende wurden die sterblichen Überreste von 360 KZ-Häftlingen exhumiert.  Es sei davon auszugehen, dass aber mehr Menschen umgekommen sein dürften. Der Historiker Daniel Breutmann geht von bis zu 470 Personen aus.

Ein neuer Gedenkort für Görlitz

Die sterblichen Überreste der Exhumierten wurden nachträglich auf dem Jüdischen Friedhof in einem Massengrab bestattet. Dieser ist bislang der einzige Gedenkort für die Menschen, die im Außenlager Görlitz gelitten haben oder zu Tode kamen. Mit der Stolperschwelle im Biesnitzer Grund ändert sich das nun. Die Stolperschwelle wird nicht in der Kleingartenanlage verlegt, sondern im öffentlich zugänglichen Bereich, in unmittelbarer Nähe des Jungpionier-Denkmals aus DDR-Zeiten. "Auf dem eigentlichen Lagergelände", wie Daniel Breutmann weiß.

Im Laufe des Jahres sollen noch Informations-Stelen aufgestellt werden. Dort können sich Besucherinnen und Besucher über die Geschichte des Ortes informieren. Das ist dem Initiator dieser Aktion, Daniel Breutmann wichtig.

Dann werden auch Shlomo Graber und andere KZ-Insassen des ehemaligen KZ-Außenlagers in Görlitz ihre Leidensgeschichte erzählen können. Die sollen über einen QR-Code abgerufen werden können.

MDR (diw)