
Sachsen-Anhalt "Perfekte Besetzung": Theater Eisleben verabschiedet Intendant Ulrich Fischer
Am Wochenende ist der Intendant des Theaters Eisleben, Ulrich Fischer, feierlich in den Ruhestand verabschiedet worden. Seit 1986 war er am Haus tätig, seit 1994 hat er es geleitet und mehrfach vor der Schließung bewahrt. Für den Intendanten war es immer ein Anliegen, alle Menschen willkommen zu heißen – mit einem vielseitigen Programm und mutigen Diskussionsangeboten. Ein Porträt.
- Mit einer großen Gala ist am Theater Eisleben der langjährige Intendant Ulrich Fischer verabschiedet worden.
- Besonders in Erinnerung blieb, wie er 2013 das Theater vor der Schließung bewahrte.
- Doch vor allem hat er es geschafft, an einem kleinen Theater ein vielseitiges Programm zu ermöglichen.
Die Schlange vor dem Theater Eisleben wird immer länger. Alle wollen sich von einem der dienstältesten Intendanten der Republik verabschieden. 31 Jahre hat Ulrich Fischer das kleine Haus im Mansfelder Land geleitet, mehrfach hat er es vor der Schließung bewahrt. Nun steht er in einem T-Shirt im Foyer und begrüßt jeden Gast persönlich. Per Handschlag. Auf dem T-Shirt steht "Theater Eisleben. Was für ein Theater".
"Vorhang für Ulrich Fischer" heißt die Veranstaltung, mit der sich das Theater, die Lutherstadt Eisleben, der Landkreis Mansfeld-Südharz und vor allem das Publikum von ihrem Intendanten verabschieden. Sogar ein Grußwort des Landes-Kulturministers Rainer Robra wird per Video zugespielt – was sehr gut, aber nicht selbstverständlich ist. War es doch einer seiner Vorgänger, Stephan Dorgerloh, der im Jahr 2013 beschloss, das Theater müsse geschlossen werden.

2013 kämpfte das Theater Eisleben um das Überleben – mit Erfolg.
Das Theater für Eisleben bewahren
Direkt so gesagt hat Dorgerloh es damals nicht, aber die Zuschüsse gekürzt. Auf Null. Womit wir bei der wohl größten Tat des Intendanten Ulrich Fischer wären. Was auch ein bisschen schade ist bei einem Mann, der ja auch Künstler ist, der drei Jahrzehnte lang erfolgreich Ensembles formiert und als Regisseur unzählige Inszenierungen auf die Bühne gebracht hat. Fischer hat – gemeinsam mit den für ihre Sturheit bekannten Mansfeldern, der Stadt, dem Landkreis und vielen Verbündeten in der Region – dieses Theater vor dem Aus gerettet.

In der Ära Ulrich Fischer wurde das Theater auch rundum modernisiert.
Er hat dieser Stadt, in der es mehrere Luthergedenkstätten, aber nicht einmal ein Kino gibt, diesen gemeinsamen Raum erhalten. Das Haus "Am Landwehr", vor dem am Samstag hunderte Menschen bei glühender Sonne anstanden, um sich von ihm zu verabschieden. Was für ein wunderbares Theater!
Als Kritiker habe ich nicht allzu viele Intendanten kennengelernt, mit denen man jederzeit direkt und offen sprechen konnte. Matthias Schmidt, MDR KULTUR-Theaterkritiker |
Ulrich Fischer kam zu DDR-Zeiten nach Eisleben
Dann wird gespielt, musiziert, geredet und gewürdigt. Und es wirkt ein bisschen, als könnten viele im Saal noch gar nicht richtig begreifen, dass hier eine Ära endet. Eine Ära – das sagt man so, aber für die meisten im Saal war Fischer immer hier. Als er 1986 kam, als Dramaturg, war Eisleben noch DDR, und das Theater hieß "Thomas-Müntzer-Theater".
Dann kam der Westen, es kamen und gingen die Regierungen, die Kanzler und die Kanzlerin. Fischer blieb. Seit 1994 als Intendant an einem Haus, das nach den Maßstäben der Bundesrepublik gar nicht mehr hätte existieren dürfen. Zu teuer, zu klein. Wo liegt das überhaupt?
Die besonderen Herausforderungen eines kleinen Theaters
Fischer schaffte es, das tatsächlich immer kleiner gesparte Theater zu erhalten und zu etablieren in einer schrumpfenden Theaterlandschaft. Wie viele Ensemblemitglieder braucht man, um nicht nur Theater im Klassenzimmer und Weihnachtsmärchen zu inszenieren, sondern auch mal eine "Dreigroschenoper", einen "Faust"? Wieviel Mut braucht es, um in Eisleben Ungewohntes, Unerwartetes auf die Bühne zu stellen? "Fahrenheit 451" von Ray Bradbury, Texte von Václav Havel und Samuel Beckett?
Wieviel Geld wird nötig sein, um dem Theater baulich in die Gegenwart zu verhelfen, ein neues Foyer anzubauen, die Spielstätten technisch besser auszustatten? Einen Pächter für die Gastronomie zu finden, der das Publikum vor und nach den Vorstellungen bewirtet, ihnen einen Gesprächsraum bietet? Busunternehmen zu finden, die zu bezahlbaren Preisen Schulkassen aus der Region nach Eisleben bringen? Wie soll man mit den politischen Veränderungen in einer Region umgehen, für die sich viele überregionale Medien nur dann interessieren, wenn die AfD schon wieder zugelegt hat?

Auch das Stück "Über Menschen" nach dem Roman von Juli Zeh war in Eisleben zu sehen.
Ruhig bleiben, Haltung zeigen, wieder ruhig bleiben. Mit Menschen sprechen, sie einladen. Und "nebenbei" Theater machen. Zuschauerinnen und Zuschauern, die ein großes Unterhaltungsbedürfnis haben und denen scheinbar "Die Golden Boys von der Tankstelle" am liebsten sind, zugleich Klassiker und auch die Gegenwartsdramatik nahebringen, ihnen das Theater mit Stücken wie "Über Menschen" von Juli Zeh, "Wir sind keine Barbaren", "Extrawurst" und vielen anderen als Diskursraum öffnen.
Die Intendanz von Ulrich Fischer bleibt in Erinnerung
Intendant eines Theaters in Eisleben zu sein, ist eine andere Herausforderung als an den großen Häusern in den Zentren. Dafür muss man gemacht sein. Ulrich Fischer war dafür gemacht. Die Reden, die Geschenke, die Blicke in die glücklichen und angesichts des Abschieds zugleich ein wenig fassungslosen Gesichter des Publikums am Samstag haben das bestätigt. "Vorhang für Ulrich Fischer" war eine würdige, eine emotionale und dennoch heitere Veranstaltung für einen Mann, der die perfekte Besetzung für dieses Haus und diese Stadt war.
Nebenbei, halbprivat: Als Kritiker und Journalist habe ich nicht allzu viele Intendanten kennengelernt, mit denen man jederzeit direkt und offen sprechen konnte. An nur wenigen Häusern – und ich kenne wirklich viele – war ich so willkommen und wurde ich so herzlich und hilfsbereit bei meiner Arbeit unterstützt. Auch darauf einen letzten Handschlag an den Intendanten Ulrich Fischer, verbunden mit dem Wunsch, ihm als "Ruheständler" weiter regelmäßig zu begegnen.
Intendant eines Theaters in Eisleben zu sein, ist eine andere Herausforderung als an den großen Häusern. Dafür muss man gemacht sein. Ulrich Fischer war dafür gemacht. Matthias Schmidt | MDR KULTUR-Theaterkritiker

Die Leistung von Ulrich Fischer soll in Zukunft mit einer Gedenktafel gewürdigt werden.
Die Lutherstadt Eisleben hat beschlossen, Ulrich Fischer mit einer Tafel im Foyer zu ehren. Möge Ulrich Fischer oft (und gerne ein bisschen stolz darauf) als Gast an dieser Tafel vorbeigehen, und möge sein Nachfolger, Frank Martin Widmair, sich von dieser Tafel ausschließlich motivieren und nicht zu sehr beeindrucken lassen. Auf dass wir dauerhaft über Eisleben sagen dürfen: Was für ein Theater!
Redaktionelle Bearbeitung: tsa