
Thüringen Artenschutz im Acker: Mehr Feldhasen und Rebhühner durch Feldflur-Projekt
Landwirtschaft betreiben und trotzdem Tiere und Pflanzen schützen: Dass das gemeinsam funktionieren kann und sich nicht widerspricht, zeigt das Pilotprojekt "Wilde Feldflur" vom Deutschen Jagdverband (DJV) gemeinsam mit dem Landesjagdverband Thüringen (LJVT) und der Stiftung Lebensraum Thüringen im Erfurter Becken.
Dabei wurde auf einer Fläche von 30 Quadratkilometern rund um die Orte Dachwig (Landkreis Gotha) und Gebesee (Landkreis Sömmerda) der Lebensraum für Feldhasen und Rebhühner verbessert. Außerdem wurden räuberische Arten wie der Fuchs und der Waschbär intensiver bejagt.

Auf einer Fachtagung trafen sich am Dienstag Experten von Naturschutz, Landwirtschaft und Jagd.
Das Zwischenergebnis: Innerhalb von nur drei Jahren verdoppelte sich die Zahl der Feldhasen. Der Bestand an Rebhühnern stieg um die Hälfte an. Ein Erfolg der weiter ausgebaut werden soll. Deshalb trafen sich am Dienstag in Gierstädt (Landkreis Gotha) fast 100 Vertreter aus Landwirtschaft, Jagd und Wissenschaft zu einer Fachtagung. Sie besprachen dabei die Zwischenergebnisse des Pilotprojekts, dass auch in ähnlicher Form in Sachsen-Anhalt läuft.
Wir wollen zeigen, dass man auch in einer intensiv landwirtschaftlich genutzten Fläche, viel für die Artenvielfalt tun kann. Torsten Reinwald, Deutscher Jagdverband (DJV) |
Seit dem Start im Juli 2022 stieg die Zahl der Feldhasen im Projektgebiet Erfurter Becken von rund 15 auf 32 Tiere pro Quadratkilometer. Bei den Rebhühnern stieg die Zahl im gleichen Zeitraum von drei auf vier Tiere pro Quadratkilometer, heißt es vom Deutschen Jagdverband. Ziel des Projektes ist laut Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband (DJV): "Wir wollen zeigen, dass man auch in einer intensiv landwirtschaftlich genutzten Fläche, viel für die Artenvielfalt tun kann. Wir wollen ja die Landwirte nicht vertreiben."

Aufgrund von Blühstreifen gibt es mehr Nahrung und Schutz für Feldhasen. Ihre Population stieg an.
Intensive Landnutzung Schuld daran, dass Zahl der Feldhasen und Rebhühner sinken
Ein Grund, warum "Wilde Feldflur" vor rund drei Jahren überhaupt erst ins Leben gerufen wurde, sind die sinkenden Zahlen bei den Niederwildarten und bei anderen Arten der Agrarlandschaft in ganz Deutschland. Unter anderem die intensive Landnutzung sei eine Ursache dafür. Dadurch gehe Lebensraum und auch die Nahrung für die Tiere wie Feldhamster, Feldhase oder Rebhuhn verloren und sie sind Fressfeinden gegenüber leichter ausgesetzt, heißt es auf der Website des Deutschen Jagdverbandes.

Durch eine intensive Landnutzung verringerte sich die Zahl der Rebhühner
Deswegen wurden im Erfurter Becken verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Artenvielfalt trotz der Landwirtschaft wieder zu steigern. Beispielsweise optimierten die Projektpartner den Lebensraum, indem sie auf Brachflächen, Puffer- und Abstandsstreifen auf den Feldern sogenannte Blühstreifen oder Hecken anlegten, sagt Frieder Kreß von der Stiftung Lebensraum Thüringen.
Blühstreifen bieten Schutz und Nahrung
Trotz der Blühstreifen sollen die Landwirte ihre Flächen weiter bewirtschaften können. "Deswegen haben wir den rotierenden Blühstreifen entwickelt, der in die Fahrgassenbreite der landwirtschaftlichen Wege passt und dann auf der Feldfläche auch rotieren kann", sagt Kreß weiter. Diese Blühstreifen und Hecken sollen Nahrung und Schutz für die Tiere bilden.
Wenn wir mit dem Auge und dem Magen vom Hase und vom Rebhuhn denken und so auch die Landschaft gestalten, dann machen wir ganz viel für die Artenvielfalt. Torsten Reinwald, Deutscher Jagdverband (DJV) |
Im Optimalfall seien diese Blühstreifen um die 40 Meter breit und bestehen aus heimischen Stauden oder Gräsern, ergänzt Torsten Reinwald. Sie sollen Insekten anlocken, die wiederum Nahrung beispielsweise für junge Rebhühner sind. Der Feldhase und ausgewachsene Rebhühner ernähren sich zudem von den Gräsern und Pflanzen selbst.
"Wenn wir mit dem Auge und dem Magen vom Hase und vom Rebhuhn denken und so auch die Landschaft gestalten, dann machen wir ganz viel für die Artenvielfalt", so Reinwald weiter. Beispielsweise wurden auch Futterspender in Form von Eimern mit Deckel für die Rebhühner installiert. Damit sollen die Tiere ganzjährig gefüttert und die Überlebensrate gerade im Winter erhöht werden.

Für den Feldhase verbesserten sich im Erfurter Becken die Lebensbedingungen.
Naturschützer kritisieren Jagd mit der Falle
Neben mehr Lebens- und Nahrungsangeboten spielt auch die Jagd auf Fressfeinde eine wichtige Rolle im Projekt. Jägerinnen und Jäger im Projektgebiet erlegten allein in der Saison 2024/2025 125 Füchse und 123 Waschbären. Das entspricht elf Raubsäugern pro Quadratkilometer. Besonders effektiv sei die sogenannte Fangjagd gewesen, bei der über 95 Prozent der Waschbären zur Strecke gebracht wurden. Für die Fangjagd wurden insgesamt 47 Fallen aufgestellt, beispielsweise Betonwipprohrfallen oder Holzkastenfallen, die mit elektronischen Meldern ausgestattet sind.
"Dieser Fallenmelder meldet den Fang direkt auf das Handy und so kann das Tier schnell und tierschutzgerecht entnommen werden", sagt Frieder Kreß. Füchse und Waschbären wurden aber auch mit dem Gewehr vom Ansitz aus gejagt. Naturschützer kritisieren die Jagd mit der Falle: "Keine Falle fängt selektiv. Menschen und Tiere werden unnötigen Gefahren ausgesetzt. Die Verwendung von Fallen im Rahmen der Jagdausübung wird vom Nabu abgelehnt", sagt Jürgen Erhardt vom Nabu Thüringen. Trotzdem sei es wichtig Feldhasen und Rebhühner zu schützen, da sie in Thüringen auf der Roten Liste stehen.

Für die Fangjagd wurden auch Betonwipprohrfallen aufgestellt.
Partner wollen, dass das Projekt fortgesetzt wird
"Vielleicht ist es aber auch einmal sinnvoll, darüber nachzudenken, beispielsweise den Feldhasen selbst weniger zu bejagen. In Thüringen werden laut landesweiter Jagdstrecke immer noch über 1.000 Feldhasen pro Jahr erlegt", so Erhardt weiter. Ende des Jahres läuft das Pilotprojekt "Wilde Feldflur" aus, dass unter anderem auch vom Thüringer Landwirtschaftsministerium gefördert wird.
Deshalb wünscht sich Frieder Kreß, eine Verlängerung: "Es ist erwiesen, dass wir in diesen drei Jahren nicht die Zahlen bestätigen können, die wir uns wünschen. Ziel ist es, dass wir die Biodiversität steigern und dabei sind Rebhuhn und Feldhase die Zeigerarten. Wir brauchen über fünf bis zehn Jahre verlässliche Zahlen, um daraus einen Mittelwert zu erschließen. Erst wenn wir dann feststellen, wir haben die Population angehoben, können wir auch von einem Erfolg sprechen."

Seit Beginn des Projekts stiegt die Population von Rebhühnern im Erfurter Becken kontinuierlich an.
Um erfolgreich weiterarbeiten zu können, fordern die drei Kooperationspartner von der Politik, dass sogenannte ökologische Trittsteine geschaffen werden. Das heißt: Mehrjährige Blühstreifen und Brachen sollen ein Netz bilden, um den Tieren Lebensräume über das ganze Jahr zu ermöglichen - immer an den gleichen Standorten. "Es braucht in der Landwirtschaft eine Art Mosaik aus Blühstreifen, die möglichst von landwirtschaftlicher Fläche umgeben sind. Damit es auch Insekten schaffen von einem Blühstreifen auf den nächsten zu kommen. So schaffen wir Artenvielfalt", erklärt Torsten Reinwald. "Gleichzeitig müssen wir auch dafür sorgen, dass der Landwirt damit auskommen kann, dass er künftig Artenvielfalt statt Weizen produziert", so Reinwald weiter. Deshalb müssten Förderungen attraktiver werden.
Hohe Hürden durch Bürokratie für Landwirtschaft
Zudem fordert er Ausgleichszahlungen für Naturschutzmaßnahmen, die zumindest die Kosten decken. Auch die Bürokratie müsse abgebaut werden, denn laut Reinwald sei es Wahnsinn, was Landwirte machen müssen, um Naturschutz zu betreiben. "Ich muss auf den Zentimeter genau die Blühstreifen ausmessen, ich muss die Flächen genau angeben. Wenn ich hierbei einen Fehler mache kann es sein, dass ich die gesamte Förderung gestrichen bekomme. Das sind so hohe Hürden für den Landwirt, die geändert werden müssen." Nur dann könnten intensive Landwirtschaft und Artenschutz noch besser gemeinsam funktionieren.
MDR (jml)