
Festnahme in den USA US-Agent wollte offenbar nach Deutschland überlaufen
In den USA ist ein Agent festgenommen worden, weil er einem ausländischen Nachrichtendienst aus Unmut über die Trump-Regierung geheime Informationen angeboten haben soll. Laut WDR, NDR und SZ soll es sich um den BND gehandelt haben.
In der E-Mail, mit der Nathan L. seinen Verrat angeboten haben soll, kam er schnell auf den Punkt: Er sei ein Offizier der Defense Intelligence Agency (DIA), des militärischen Nachrichtendienstes der USA. Er habe Sicherheitsfreigaben der höchsten Stufe. "Die jüngsten Maßnahmen der aktuellen Regierung beunruhigen mich zutiefst." Er teile die Werte der US-Regierung nicht, wird in Justizunterlagen aus der E-Mail des Mannes zitiert. Er beabsichtige, sich "für die Werte einzusetzen, für die die Vereinigten Staaten einst standen". Daher biete er an, höchst vertrauliche Informationen zu übermitteln.
Das US-Justizministerium machte den Fall vor wenigen Tagen öffentlich. Demnach wurde der 28-Jährige festgenommen, als er dabei war, sensible Unterlagen an einen Undercover-Agenten des FBI zu übergeben, nachdem er länger mit ihm im Austausch gestanden haben soll. L. hielt ihn offenbar für den Vertreter jener ausländischen "befreundeten Regierung", an die er sich ursprünglich per Mail gewandt hatte. Um welches verbündete Land es sich handelte, dem sich L. angeboten haben soll, teilte die US-Justiz jedoch nicht mit.
BND als Adressat?
Doch das ist brisant: Denn nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) aus Sicherheitskreisen soll sich der Cybersicherheitsexperte des US-Militärnachrichtendienstes im März mit seiner E-Mail ursprünglich dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) als Informant angeboten haben. Offenbar ging der deutsche Nachrichtendienst darauf aber nicht ein, sondern informierte die US-amerikanischen Verbündeten. Für gewöhnlich sind es die deutschen Nachrichtendienste, die von Informationen aus den USA profitieren. Diesmal war es offenbar andersherum.
Bestätigen wollte der BND dies nicht: "Der Bundesnachrichtendienst nimmt zu Angelegenheiten, die etwaige nachrichtendienstliche Erkenntnisse oder Tätigkeiten betreffen, grundsätzlich nicht öffentlich Stellung", teilte ein BND-Sprecher auf Anfrage mit. Damit sei "keine Aussage getroffen, ob der Sachverhalt zutreffend ist oder nicht". Der BND berichte zu entsprechenden Themen "insbesondere der Bundesregierung und den zuständigen, geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages".
L. oder ein anwaltschaftlicher Vertreter waren zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.
Frust über Entlassungen
Der Vorgang ist bislang wohl einer der spektakulärsten, wenn es um die Folgen des Unmuts geht, den Teile der Belegschaft in US-Ministerien und Behörden über die Trump-Regierung hegen sollen. Für Kritik sorgten zum Beispiel Pläne für eine deutlich reduzierte Mitarbeiterzahl. Auch bei den Sicherheitsbehörden, bei den Geheimdiensten und beim FBI hatte die Trump-Regierung einen erheblichen Stellenabbau angekündigt: Erste Mitarbeiter wurden bereits kurz nach Trumps Amtsübernahme Ende Januar gekündigt.
Für die Bundesregierung und den BND wiederum könnte der Fall des gescheiterten Überläufers eine Chance gewesen sein, das Verhältnis zu den US-Amerikanern zu verbessern, auch wenn sich offiziell bislang nichts an der Kooperation im Sicherheitsbereich verändert hat. Aus deutschen Sicherheitskreisen heißt es, dass Kontakte aus den USA seit Anfang des Jahres durchaus vorsichtiger agiert hätten und die Zusammenarbeit dadurch beeinträchtigt werde.
Im Handumdrehen war etwa im Frühjahr eine Spezialeinheit zur Durchsetzung von Sanktionen gegen Russland aufgelöst worden, die regelmäßig auch im Austausch mit deutschen Behörden stand.
USA wichtigste Quelle in der NATO
Die Sorge auf deutscher Seite soll aber vor allem sein, dass der nachrichtendienstliche Informationsfluss spärlicher werden könnte. Damit hatte die Trump-Regierung bereits in Trumps früherer Amtszeit gedroht. Vor kurzem erst forderte der Obmann der Republikaner im Geheimdienstausschuss des US-Senats, Tom Cotton, dass man Deutschland keine Geheimdienstinformationen mehr liefern solle, mit denen die als rechtsextrem eingestufte AfD überwacht werden könnte.
Sollte tatsächlich deutlich weniger geteilt werden, wären die Folgen wohl drastisch: Viele Warnungen vor Terroranschlägen etwa kommen aus den USA. Wie WDR und NDR zuletzt berichteten, lag etwa der Anteil der USA an den Nachrichten-, Überwachungs- und Aufklärungsaktivitäten der NATO im Jahr 2023 bei insgesamt 76 Prozent, der deutsche Anteil dagegen bei nur einem Prozent.
Verräterische Spuren
Im Fall des nun in den USA festgenommenen Mannes, der mutmaßlich Geheimnisverrat begehen wollte, haben die Deutschen den Recherchen zufolge ihre US-Kollegen wohl nach einer ersten E-Mail im März zügig auf den Vorfall hingewiesen. Den Absender haben die US-Ermittler dann den Justizunterlagen zufolge wohl ziemlich schnell ausgemacht: Bereits in der E-Mail, die er von einem anonymen Account geschickt haben soll, machte L. offenbar Fehler, die zu seiner Enttarnung führten. Dieser Account war offenbar von einer Mail-Adresse angemeldet worden, die schnell zu L. geführt haben soll. Für den Zugang zu beiden E-Mail-Konten soll dieselbe IP-Adresse genutzt worden sein, und zwar die Adresse des heimischen Computers von L.
Um zu beweisen, dass er tatsächlich über vertrauliche Informationen verfüge, soll L. zudem Fotos seines Mitarbeiterausweises angehängt haben. Obwohl er den Namen und das Foto entfernt haben soll, soll es auf dem Bild noch immer genug Informationen gegeben haben, die die US-Behörden zu dem Cybersicherheitsexperten L. führten.
Konspiratives Vorgehen
Die Dokumente der US-Justiz beschreiben, wie das FBI dann verdeckt in die Rolle der deutschen Beamten geschlüpft sein soll. Der Austausch habe anschließend über einen verschlüsselten Messengerdienst stattgefunden. L. soll angegeben haben, aufgrund seiner Position bei der DIA, für die er seit mehreren Jahren arbeitet, Zugang zu mehreren Archiven mit geheimen Informationen zu besitzen. Seine eigentliche Aufgabe bei der Behörde war es offenbar unter anderem, die Überwachung der Aktivitäten von Benutzern mit Zugang zu den internen Systemen sicherzustellen, also ausgerechnet die Abwehr von Bedrohungen aus dem Inneren des Apparats.
Es soll auch Videoaufnahmen geben, die die Ermittler heimlich von L. an dessen Arbeitsplatz erstellten. Demnach soll er sich mehrmals vor seinem Bildschirm Notizen gemacht, die Zettel zusammengefaltet und diese dann mal in den Socken, mal in einer Brotdose versteckt haben. Schließlich soll die US-Bundespolizei FBI auf einen sogenannten "Toten Briefkasten" in einem Park in Arlington bei Washington D.C. gesetzt haben. So nennt man geheime Übergabeverstecke wie etwa kleine Erdlöcher an markanten Landschaftspunkten, unter Parkbänken oder an Straßenlaternen.
L. soll dort schließlich ein Laufwerk mit neun Dokumenten abgelegt haben, die als "geheim" oder "streng geheim" klassifiziert waren. Dann soll er wieder ins Auto gestiegen und nach Hause gefahren sein.
Belohnung gewünscht
Der getarnte FBI-Agent bedankte sich den Justizunterlagen zufolge anschließend bei ihm für das gelieferte Material. "Ich freue mich zu hören, dass das, was ich bereitgestellt habe, zufriedenstellend war", soll L. geantwortet haben. Dann soll er auch eine mögliche Belohnung angesprochen haben. Als das FBI fragte, was er sich vorstelle, soll L. geantwortet haben: die Staatsbürgerschaft für Ihr Land. Er wollte demnach wohl Deutscher werden.