Anhänger der AfD demonstrieren am Brandenburger Tor in Berlin
exklusiv

Nach AfD-Einstufung Mehr als 220 AfD-Kandidaten im Staatsdienst

Stand: 21.05.2025 11:00 Uhr

Noch ist unklar, ob Mitarbeitern im Staatsdienst Konsequenzen drohen, weil sie sich für die AfD engagieren. In der Partei scheint die Frage für Unruhe zu sorgen. Eine Report-Mainz-Auswertung zeigt, wie viele AfD-Mitglieder betroffen sein könnten.

Von David Meiländer, Philipp Reichert und Anna Stradinger, SWR

Die Einstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" könnte für mehr als 220 AfD-Mitglieder im Staatsdienst dienstrechtliche Konsequenzen haben. Sie hatten nach einer Datenauswertung des ARD-Politikmagazins Report Mainz in den vergangenen fünf Jahren bei Wahlen für die AfD kandidiert, im Bund, auf Landes- oder kommunaler Ebene. 

Demnach sind darunter vor allem Lehrer, Polizisten, Verwaltungsbeamte und Soldaten. Einige der mehr als 220 AfD-Kandidaten arbeiten derzeit hauptberuflich als Landtags-, Bundestags- und Europaabgeordnete. Ihre Tätigkeit im öffentlichen Dienst ruht deshalb. Ein großer Teil der übrigen Kandidaten ist nach Recherchen von Report Mainz ehrenamtlich für die Partei aktiv.

Das ARD-Politikmagazin hat die amtlichen Unterlagen der jeweils vergangenen Wahl der meisten Landkreise und kreisfreien Städte (303 von 400), Bundesländer (14 von 16) und des Bundes ausgewertet. Nicht alle Angaben ließen sich überprüfen, in wenigen Fällen wurden die Namen der Kandidierenden aus Datenschutzgründen geschwärzt oder nicht genannt.

Der Verfassungsschutz hatte die AfD Anfang Mai zur "gesichert rechtsextremistischen Bestrebung" hochgestuft. Dagegen setzt sich die Partei mit einem Eilantrag zur Wehr. Bis zu einer Entscheidung des zuständigen Verwaltungsgerichts Köln hat der Inlandsnachrichtendienst die neue Einstufung auf Eis gelegt.

Bundesländer: Thema auf Innenministerkonferenz

Wie die Bundesländer mit Beamten oder Angestellten im öffentlichen Dienst umgehen, die ein AfD-Parteibuch haben, ist noch nicht entschieden. Das Thema soll auf der kommenden Innenministerkonferenz im Juni besprochen werden.

Mehrere Bundesländer erklärten gegenüber Report Mainz, dass eine aktive Betätigung, wie etwa die Kandidatur für ein öffentliches Amt, für eine als extremistisch eingestufte Partei grundsätzlich den Verdacht eines "Dienstvergehens" und damit möglicherweise auch ein Disziplinarverfahren begründen würde. Grundsätzlich komme es aber auf den Einzelfall an. Es gibt also keinen Automatismus.

Wie viele AfD-Mitglieder insgesamt im Staatsdienst arbeiten, ist bisher nicht bekannt. Eine offizielle Statistik wird laut den Angaben der Länder nirgendwo geführt. Die von Report Mainz ermittelte Zahl ermöglicht nun eine Annäherung.

Möglicherweise auch Pensionäre betroffen

Möglicherweise sind auch Pensionäre betroffen. Die Bundesländer verwiesen in ihren Erklärungen vor allem auf das sogenannte Beamtenstatusgesetz. Demnach gilt es auch als "Dienstvergehen", wenn sich Ruhestandsbeamten gegen die "freiheitliche demokratische Grundordnung" betätigen. Dies beträfe, sollte die Einstufung des Verfassungsschutzes gerichtlich bestätigt werden, laut der Auswertung zusätzlich mehr als 160 Pensionärinnen und Pensionäre. Auch sie haben in den vergangenen Jahren für die AfD bei einer Wahl kandidiert.

In Teilen der AfD scheint die Debatte über den Umgang mit Parteimitgliedern im öffentlichen Dienst Unruhe auszulösen. Der AfD-Bundesvorstand verschickte Anfang Mai eine "Handreichung für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst". Das Papier liegt dem Report Mainz und der österreichischen Tageszeitung DER STANDARD vor.

Darin führt die Parteispitze aus, dass Mitglieder, die im öffentlichen Dienst arbeiten, nicht allein aufgrund der Einstufung des Verfassungsschutzes mit einer Kündigung zu rechnen hätten. Der Parteivorstand sieht aber offenbar insbesondere für Funktionäre und Kandidaten Risiken. "Die Tätigkeit oder Kandidatur für eine herausgehobene Stellung in unserer Partei (nicht die bloße Mitgliedschaft) könnte als Verfassungstreuepflichtverletzung beurteilt werden, falls Gerichte die Einschätzung durch den Verfassungsschutz teilen sollten", heißt es.

AfD gibt Handlungsempfehlungen

In dem vierseitigen Schreiben spricht die Parteispitze Handlungsempfehlungen aus. Mitglieder sollten etwa in ihrer Wortwahl differenzieren und mit "Äußerungen im verfassungskonformen Bereich" bleiben. Politische Einstellungen sollten sie aus ihrer beruflichen Tätigkeit beim Staat heraushalten.

Der Einsatz etwa "für eine deutsche Leitkultur", "gegen die Aufnahme weiterer Migranten" oder die "konsequente Abschiebung nicht (mehr) aufenthaltsberechtigter Personen" sei "selbstverständlich nicht verfassungsfeindlich". Wer zu einer Dienstbesprechung vorgeladen werde, solle einen Rechtsanwalt mitnehmen. Ein Parteiaustritt sei "in keinem Fall erforderlich".

Tatsächlich haben seit der Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zahlreiche Mitglieder die AfD verlassen. Die Parteispitze gibt sich diesbezüglich öffentlich aber gelassen. Gegenüber Report Mainz teilte der Bundesvorstand vergangene Woche mit, es seien lediglich "einige wenige hundert Austritte" gewesen. Insgesamt steige die Zahl der Mitglieder.

Zu möglichen Disziplinarverfahren gegen Mitglieder äußerte sich die Partei nicht, ebenso wenig zu der Frage, wie viele Parteimitglieder im Staatsdienst tätig sind.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 21. Mai 2025 um 11:06 Uhr.