Zahlreiche junge Frauen stehen am Stand von LYX auf der Leipziger Buchmesse.

Sex, Gewalt und toxische Beziehungen Warum der Dark-Romance-Hype für Furore sorgt

Stand: 23.05.2025 16:57 Uhr

Das Genre boomt, große Verlage springen auf den Trend auf. Was macht den Reiz von Dark Romance aus, welche Kritik gibt es - und wie bedenklich sind die Bücher mit drastischen Gewalt- und Sexszenen für junge Lesende?

Von Nele Deutschmann, NDR

Ganz schön spicy - und erfolgreich: Dark Romance hat sich zu einem stark nachgefragten Genre entwickelt, das auch durch soziale Medien wie BookTok eine breite Leserschaft - vor allem junge Frauen - erreicht. In Buchhandlungen gibt es prominent platzierte Romance-Tische, auf den Buchmessen einen regelrechten Ansturm auf die Angebote. Viele Titel schaffen es auf die Bestsellerlisten und sorgen für hohe Umsätze.

Große Verlage gründen Imprints, also Label, die wie eigene Verlage auftreten, um auf die Nachfrage reagieren zu können. Gerade hat das Genre bei der Penguin Random House Verlagsgruppe eine neue Heimat gefunden: beim Label Blush. Im September werden die ersten Titel erscheinen - die bei der Lektüre wortwörtlich die Röte ins Gesicht treiben, so Diana Keller, Programmleitung Blanvalet Taschenbuch & Blush.

Zwischen Tabubruch und Eskapismus

Dark Romance ist ein Subgenre des Romance- und des New-Adult-Genres. Im Mittelpunkt stehen intensive Liebesgeschichten, die von Machtgefällen, gefährlichen Leidenschaften, Obsessionen und moralischen Konflikten geprägt sind. Typisch sind Themen wie toxische Beziehungen, Stalking, Entführung, körperliche und psychische Gewalt oder Machtmissbrauch. Dabei werden explizite Erotikszenen und BDSM-Elemente eingebunden. Die drastischen Inhalte sind oft von Trigger-Warnungen gesäumt und die Cover mit dem Hinweis "ab 18" versehen.

Die Geschichten versprechen laut Diana Keller vor allem eines: Eskapismus - ein Sich-Wegträumen von den Problemen des Alltags und einer sich verändernden Welt. Wo New Adult neben dem Wegträumen auch viele positive und heilsame Identifikationsmöglichkeiten für die Leserinnen und Leser biete, stelle der Dark-Romance-Trend eine Art Gegenbewegung dar: "In diesem Subgenre wird es Lesenden ermöglicht, einen fiktiven Grenzgang ins moralisch Ambivalente oder gar Verbotene zu unternehmen. Dark Romance ist Eskapismus in Extremform", so Keller.

Misogyne Stereotype und Verhaltensmuster?

Für Carolin Hauskeller, Buchhändlerin aus Dresden, liegt die Problematik dabei jedoch in der Romantisierung von Gewalt. Meist sei der männliche Protagonist der Frau überlegen, ob im gesellschaftlichen Rang, Status, im beruflichen Umfeld oder einfach nur körperlich. Gewalttätige Handlungen würden mit psychischen Problemen des Protagonisten "erklärt" oder mit "Liebe" gerechtfertigt. "Auch die Nomenklatur des Genres und der einzelnen Tropes sind verharmlosend", so Hauskeller.

Typische Dark-Romance-Tropes, also wiederkehrende Motive oder Themen, sind beispielsweise "Reverse Harem", "Bully Romance", "Dark Academia", "Kidnapping Romance", "Stalker Romance" oder "Why choose?". Wenn eine Trope wie "Reverse Harem" jedoch bedeute, dass eine Frau von mehreren Männern erniedrigt und gequält werde, sei die Bezeichnung einfach irreführend, findet die Buchhändlerin. "Die extremen Sex-Szenen sind der Handlung selten dienlich und tatsächlich auch für erwachsene Lesende verstörend. Eine seltsame Praktik im Zeitalter des Sensitivity Readings und der Trigger-Warnungen."

Als Feministin sei ihr das Genre ein Gräuel, so Hauskeller. Vieles sei nur Verschleierung der Tatsache, dass zutiefst patriarchalische Verhaltensweisen beschrieben werden: "Egal, was die Schreibenden mir erzählen wollen, so oft ist der Mann die treibende Kraft hinter der 'Charakterentwicklung' der weiblichen Figuren." Es werde an toxischen Beziehungen festgehalten, bis die Frau den Mann lange genug ertragen und damit gerettet habe. "Dieses 'Fem-washing' - eine Wortneuschöpfung von uns für Leute, die uns derartige Inhalte als Feminismus verkaufen wollen - ist extrem ärgerlich."

Zwei Bücher liegen auf rotem Hintergrund.

Romantisierung von Gewalt? Das Genre ist umstritten.

Wie problematisch ist das Genre für junge Lesende?

Volljährige Menschen sind frei in ihrer Entscheidung, ob sie solche Inhalte konsumieren wollen. Doch wie sieht es mit jungen Lesenden aus, die in den sozialen Medien auf den Trend stoßen, vom Reiz des Verbotenen oder durch die Gestaltung der Bücher, die oft mit aufwendigen Covern und Farbschnitten locken, angezogen werden? Welchen Einfluss hat das Genre auf Minderjährige und junge Menschen in der Phase der eigenen Identitätsbildung, für die Bücher und andere Medien oft der erste Berührungspunkt mit romantischen Beziehungen sind?

Das Lesen solcher Literatur sei zwar eine Möglichkeit, sich mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen oder tabuisierte Fantasien in einer sicheren, weil fiktiven Umgebung zu erleben, schätzt die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) ein, allerdings: "Insbesondere bei jungen Menschen, die noch keine gefestigte Vorstellung von gesunden Beziehungsdynamiken haben, besteht die Gefahr, dass sie die dargestellten Verhaltensweisen als romantisch oder erstrebenswert und damit als ‚normal‘ interpretieren." Die Bundeszentrale empfiehlt im Umgang mit den Büchern eine aktive Begleitung der jungen Lesenden und eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Genre, sowohl bei den Jugendlichen selbst als auch im Dialog mit beispielsweise Eltern oder anderen Bezugspersonen.

Auch Diana Keller betont, dass die Kernzielgruppe von Blush Leserinnen im Alter von 20 bis 39 Jahren seien und sich Dark-Romance-Bücher an ein erwachsenes Lesepublikum richte, das Fiktion und Realität unterscheiden und kritisch bewerten könne. Die Bücher werden entsprechend gekennzeichnet. Doch anders als bei Filmen oder Computerspielen gibt es in Deutschland für Bücher keine einheitliche Altersfreigaberegulierung.

Welche Verantwortung trägt die Buchbranche?

Buchhändlerin Carolin Hauskeller verkauft Dark-Romance-Romane hauptsächlich auf Kundenbestellung, in ihrem Laden bietet sie nur wenige Titel an. Die Bücher sind dann in der Abteilung für Erwachsene platziert - nicht, wie in anderen Buchhandlungen so oft, bei den Jugendbüchern. Für sie als Händlerin ist es bei dem boomenden Genre schwierig, den Überblick zu behalten, geschweige denn, alles lesen zu können. Sie sei daher auf die Kennzeichnung extremer Inhalte vonseiten der Verlage angewiesen, so Hauskeller.

Als Buchhändlerin sieht sie sich stark in der Verantwortung und der Fürsorge verpflichtet, auch wenn sie nicht rechtlich bindend ist: "Es ist wichtig, dass wir unsere Verantwortung ernst nehmen, die jungen Leserinnen und Leser bestmöglich beraten und, auch wenn es schade um den Umsatz ist, auch mal den Verkauf zu verweigern." Sie erfragt das Alter der Kundinnen, wenn ein Titel unangemessen erscheint, und berät die Begleitpersonen. "Generell gibt es viel Aufklärungsbedarf auch bei den Eltern, die sich oft einfach nur freuen, dass das Kind liest."

Für die Zukunft wünscht sich Hauskeller eine einheitliche Linie in der Branche, eine gemeinsame Kennzeichnungsverpflichtung, auch von Seiten der Verlage, und eine einheitliche geregelte Verkaufspraxis.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Kultur am 25.04.2025 um 13 Uhr.