
Krieg im Nahen Osten ++ Großdemonstration gegen Israel in Den Haag ++
In Den Haag haben zehntausende Menschen für einen härteren Kurs gegen Israel demonstriert. Im Gazastreifen wurden erneut Dutzende Menschen durch israelische Angriffe getötet, darunter zahlreiche Kinder.
Die wichtigsten Entwicklungen:
- Großdemonstration in Den Haag für härteren Israel-Kurs
- Berichte: Debatte über Entwurf für neues Abkommen
- Zahlreiche Tote durch israelische Angriffe
- Kritik aus SPD-Fraktion an israelischem Vorgehen
- Libyen: Berichte über Umsiedlungen unwahr
- EU-Ratspräsident "schockiert" über Lage in Gaza
Die israelische Armee hat am Sonntag einen massiven Angriff im Gazastreifen angekündigt und einen Evakuierungsbefehl für die Bewohner mehrerer Gebiete des Palästinensergebietes herausgegeben. "Dies ist eine letzte Warnung vor dem Angriff. Begeben Sie sich zu Ihrer eigenen Sicherheit unverzüglich nach Westen in die bekannten Schutzzonen in Al-Mawasi", erklärte ein israelischer Armeesprecher auf Arabisch in Onlinediensten.
Der Aufruf richtete sich unter anderem an Bewohner des Gebiets Al-Karara, der Gemeinde Salka und der Bereiche südlich von Deir al-Balach. Der Armeesprecher kündigte einen "heftigen Angriff" auf Gebiete an, die zum Abschuss von Raketen durch die Hamas genutzt würden.
Der CDU-Außenpolitiker Armin Laschet fordert humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen. Die jetzt gestartete Bodenoffensive der israelischen Armee müsse das alleinige Ziel haben, die letzten militärischen Strukturen der radikal-islamischen Hamas-Miliz zu zerstören, so Laschet im Bericht aus Berlin. Gleichzeitig müssten aber auch Nahrungsmittellieferungen und andere Hilfen für das abgeriegelte Gebiet aufgenommen werden. "Beides ist möglich."
Mitglieder von Terrororganisationen im Gazastreifen haben israelischen Armeeangaben zufolge zwei Geschosse auf Israel gefeuert. Eines sei von der Luftabwehr abgefangen worden, das andere auf offenem Gebiet niedergegangen, teilte Israels Militär mit. In einem israelischen Grenzort gab es Raketenalarm. Bisher gibt es keine Berichte über Opfer oder Schäden.
Das israelische Militär hat den Beginn "umfangreicher Bodenoperationen" im nördlichen und südlichen Gazastreifen erklärt. Zuvor hatten Insider beider Seiten erklärt, bei einer neuen indirekten Gesprächsrunde zwischen Israel und der Hamas in Katar habe es keine Fortschritte gegeben.
Zehntausende zumeist in Rot gekleidete Demonstranten haben in Den Haag von der niederländischen Regierung eine härtere Gangart gegenüber Israel gefordert. Die Teilnehmer des Protestes gegen Israels Vorgehen im Gaza-Krieg reisten aus weiten Teilen der Niederlande an und versammelten sich zunächst auf einer großen Freifläche der Stadt.
In einem langen Protestmarsch zogen die Demonstranten zum Friedenspalast und Sitz des Internationalen Gerichtshofs, der sich mit einer Völkermord-Klage gegen Israel beschäftigt. Niederländische Medien berichteten von bis zu 70.000 Teilnehmenden. Die Organisatoren sprachen von über 100.000 Demonstrantinnen und Demonstranten und damit der größten Kundgebung im Land seit 20 Jahren.
Wegen der derzeit heftigen israelischen Angriffe ist palästinensischen Angaben zufolge das letzte öffentliche Krankenhaus im Norden des Gazastreifens nicht mehr arbeitsfähig. Schwerer Beschuss verhindere, dass Patienten, Personal und Güter ins Indonesische Krankenhaus in Beit Lahia kämen, teilte die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mit. Damit seien nun alle Kliniken im Norden des umkämpften Küstenstreifens außer Betrieb. Israels Armee äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu dem Bericht.
Das israelische Militär wirft der Hamas immer wieder vor, sich in Kliniken zu verschanzen und Krankenhäuser für militärische Zwecke zu nutzen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dagegen in der Vergangenheit eine "systematische Zerlegung" des Gesundheitssystems im Gazastreifen durch die israelische Armee kritisiert. Israels Armee betont regelmäßig, im Einklang mit dem Völkerrecht zu handeln. Dieses verbietet Angriffe auf zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser in Kriegszeiten. Sie können ihren Schutzstatus jedoch unter bestimmten Umständen verlieren, etwa wenn sie für Verstecke für Kämpfer oder als Waffenlager benutzt werden.
Katz: Mohammed al-Sinwar anscheinend tot
Israels Verteidigungsminister Katz geht Medienberichten zufolge davon aus, dass Mohammed al-Sinwar bei einem Angriff im Gazastreifen vor einigen Tagen getötet worden ist. "Obwohl es noch keine offizielle Bestätigung gibt, ist Mohammed Sinwar allen Anzeichen nach ausgeschaltet worden", zitierte die Nachrichtenseite "ynet" Katz' Worte bei einer Ausschusssitzung. Auch die linksliberale Zeitung "Haaretz" berichtete darüber.
Mohammed al-Sinwar ist der jüngere Bruder des im vergangenen Jahr getöteten Hamas-Anführers Jihia al-Sinwar. Er war nach der Tötung des Hamas-Militärchefs Mohammed Deif im Juli vergangenen Jahres Chef des bewaffneten Arms der Islamistenorganisation geworden.
Die Zahl der Toten nach heftigen Angriffen der israelischen Armee auf den gesamten Gazastreifen ist weiter gestiegen. Mittlerweile meldet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf medizinische Kreise im Gazastreifen mindestens 110 Tote und zahlreiche Verletzte. Die meisten Opfer sollen demnach Minderjährige und Frauen sein. Die Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig verifizieren.
Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete, allein bei einem Bombardement in der Gegend von Al-Mawasi im Süden des Küstenstreifens habe es mehr als 20 Tote und rund 100 Verletzte gegeben. Bei dem Angriff seien Zelte getroffen worden, in denen Vertriebene untergebracht gewesen seien. Auch diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Israels Armee teilte auf Anfrage mit, dem Bericht nachzugehen.
In Katar wird bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas Medien zufolge ein neuer Entwurf für ein Gaza-Abkommen diskutiert. Teil des Plans seien die Freilassung von zehn Geiseln zu Beginn des Abkommens sowie eine bis zu zwei Monate andauernde Waffenruhe, berichtete der israelische Sender Kan unter Berufung auf mit den Einzelheiten vertraute Kreise. Zudem soll die Hamas den Angaben nach am zehnten Tag des Abkommens eine Liste zum Status der Geiseln vorlegen. Bei drei von ihnen ist israelischen Angaben zufolge unklar, ob sie noch am Leben sind.
Zur Debatte steht dem Bericht zufolge auch die Entlassung von 200 bis 250 palästinensischen Häftlingen aus israelischen Gefängnissen, hieß es weiter. Der britische Sender BBC berichtete unter Berufung auf einen palästinensischen Beamten, die Hamas habe nach Verhandlungen am Samstag die Freilassung von neun Geiseln im Gegenzug für eine 60-tägige Feuerpause vorgeschlagen. Demnach soll der Plan auch die Einfuhr von 400 Hilfstransportern vorsehen. Ein israelischer Regierungssprecher wollte die Berichte auf Anfrage nicht kommentieren. Auch von der Hamas gab es zunächst keine Stellungnahme.
Bei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen sind nach Angaben von Krankenhäusern und Ärzten mindestens 66 Menschen getötet worden. Das berichtet die Nachrichtenagentur AP. Unter den Toten seien auch zahlreiche Frauen und Kinder, hieß es. Unter den Zielen Israels sei auch ein Zeltlager für vertriebene Familien gewesen, in dem 24 Menschen durch die Angriffe starben.
Das israelische Militär äußerte sich zunächst nicht zu den Angriffen. Israel hatte zuletzt eine neue Offensive auf den Gazastreifen begonnen, um, nach eigenen Angaben, den Druck auf die Hamas-Miliz zu erhöhen.
Bei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen sind nach palästinensischen Angaben am Sonntag mindestens 33 Menschen getötet worden. Mehr als die Hälfte der Toten seien Kinder, teilte die von der radikalislamischen Hamas kontrollierte Zivilschutzbehörde mit.
Israel habe in der Nacht und am frühen Morgen Angriffe auf verschiedene Orte im Gazastreifen geflogen, erklärte der Zivilschutz-Sprecher Mahmud Bassal. 22 Tote habe es allein bei einem Angriff auf Zelte von Vertriebenen in Al-Mawasi im Süden des Palästinensergebiets gegeben.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch hat die neue Großoffensive des israelischen Militärs im Gazastreifen scharf kritisiert. Nur wenige Flugstunden entfernt spiele sich eine humanitäre Katastrophe ab, sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. "Die neue Offensive der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen fordert erneut zahlreiche zivile Opfer. Berichte über zerstörte Krankenhäuser, blockierte Hilfslieferungen und Pläne zur dauerhaften militärischen Präsenz in Gaza sind zutiefst besorgniserregend", sagte Miersch.
Die US-Botschaft in Libyen dementiert einen Medienbericht über Pläne zur dauerhaften Umsiedlung von Palästinensern aus dem Gazastreifen nach Libyen. "Der Bericht über angebliche Pläne zur Umsiedlung von Gaza-Bewohnern nach Libyen ist unwahr", schreibt die Behörde auf X.
Der Sender NBC News hatte über ein entsprechendes Vorhaben der Regierung von US-Präsident Donald Trump unter Berufung auf Insider berichtet.
Israel: Raketenangriff aus dem Jemen
Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben erneut eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete abgefangen. Das teilte das Militär in der Nacht mit. In mehreren Gegenden Israels hatten wegen der aus dem Land im Süden der Arabischen Halbinsel gestarteten Rakete erneut die Warnsirenen geheult. Bereits in den vergangenen Tagen hatte es wiederholt Raketenalarm gegeben.
Die radikal-islamische Huthi-Miliz feuert immer wieder Raketen auf Israel ab, angeblich aus Solidarität mit den Palästinensern im Gazastreifen. Israel reagiert mit militärischen Gegenmaßnahmen.
Bei einem israelischen Luftangriff in Chan Yunis im Gazastreifen sind örtlichen Gesundheitsbehörden zufolge mindestens 24 Palästinenser in einem Zeltlager für vertriebene Familien gestorben.
EU-Ratspräsident António Costa fordert in Reaktion auf Israels neue Großoffensive gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen ein Ende der Gewalt. "Schockiert über die täglichen Nachrichten aus dem Gazastreifen: Zivilisten hungern, Krankenhäuser werden erneut von Angriffen getroffen. Gewalt muss aufhören!", schrieb Costa auf der Plattform X. "Die israelische Regierung muss die Blockade jetzt aufheben und den sicheren, schnellen und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe gewährleisten."
Was in dem abgeriegelten Küstenstreifen am Mittelmeer geschehe, sei eine humanitäre Tragödie, schrieb Costa und übt scharfe Kritik an Israels Vorgehen: "Ein ganzes Volk wird mit erdrückender, unverhältnismäßiger militärischer Gewalt angegriffen. Internationales Recht wird systematisch verletzt." Eine dauerhafte Waffenruhe und die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln seien dringender denn je. Israels Militär hatte in der Nacht zuvor den Auftakt zu einem neuen Großangriff in Gaza bekanntgegeben.