Eine Frau bezahlt regionale Produkte auf einem Wochenmarkt
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Steigende Preise Wenn auch das Leben auf dem Land zu teuer wird  

Stand: 18.06.2025 14:54 Uhr

Steigende Kosten machen den Menschen bundesweit zu schaffen - auch in strukturschwachen Regionen, wo das Leben eigentlich als etwas günstiger gilt. So auch in der Westpfalz. 

Von Axel John, SWR und Sebastian Stollhof, SWR

In der knapp 4.000-Einwohner-Gemeinde Göllheim lässt es sich gut leben: Blick auf den Donnersberg, Autobahnanschluss, ein historischer Ortskern, Supermärkte, eine große Sport- und Freizeitanlage, verschiedene Wanderwege für Groß und Klein, ein Kulturkarree und ein Geo-Park - das alles gibt es hier.

Viele Jahre herrschte auch eine rege Nachfrage nach Bauplätzen oder auch Gewerbeflächen. Das hat sich inzwischen geändert. Das Geld sitzt nicht mehr so locker. Das Leben wird auch hier immer teurer.

Süleyman Cetinel bekommt das zu spüren. Er ist Chef des Restaurants und Hotels Goldenes Ross. "Die Kosten für die Produkte, aber auch die Personalkosten sind immens gestiegen", klagt Cetinel. Gleichzeitig könnten es sich die Menschen auch nicht mehr leisten, regelmäßig essen zu gehen. Das höre er von seinen Stammgästen, die immer seltener kommen.

 

Harte Zeiten für Gastronomen

Die Folge für Cetinel: "Wir kämpfen jeden Monat ums Überleben", sagt er. Wenn er nun seine Preise aber der allgemeinen Teuerung anpasse, würden noch weniger Gäste kommen. "Ich habe privat schon alles, was ich habe, in das Restaurant gesteckt." Dazu komme noch ein immer größer werdender Dokumentationsaufwand.

Aufgeben sei für ihn jedoch keine Option. Die Öffnungszeiten habe er aber erst einmal reduzieren müssen. "Wir arbeiten sieben Tage die Woche, wir sind froh über jeden Gast, unter dem Strich bleibt aber nichts mehr hängen, weil die Kosten so gestiegen sind", sagt Cetinel.

Inflation bremst Bauwirtschaft aus

Die Sorgen der Gastronomen kennt auch Ortsbürgermeister Dieter Hartmüller: "Herr Cetinel ist kein Einzelfall." Der CDU-Politiker erzählt zudem von Senioren, die früher gut von ihrer Rente leben konnten, nun aber nur noch gerade so über die Runden kämen.

Hartmüller kennt das Thema steigende Kosten auch auf der Ebene der Ortsgemeinde Göllheim. "Bei kommunalen Projekten sind die Kosten kaum kalkulierbar, da sie sich fast alle verteuern - und das oft erheblich", klagt er. Vor den Zinserhöhungen habe sich die Ortsgemeinde vor Bauplatzanfragen kaum retten können. So sei die Entscheidung gefallen, ein neues Baugebiet zu schaffen. Die Nachfrage sei mit 250 Interessenten für 47 Bauplätze riesig gewesen. "Wir hatten damals gedacht, dass wir Plätze verlosen müssen", erzählt der Ortsbürgermeister.

Doch die Erschließung des Baugebietes habe sich wegen bürokratischer Hürde in die Länge gezogen. Und nun, wo gebaut werden könnte, ist das Interesse deutlich zurückgegangen. Für Hartmüller eine Folge steigender Zinsen und Baupreise. Zehn Plätze habe die Ortsgemeinde bislang verkauft, erklärt Hartmüller.

 

Traum vom Eigenheim geplatzt

Anwohner Thomas Peter erzählt enttäuscht, dass seine beiden Töchter eigentlich in ihrem Heimatort bauen wollten. Die Vorfreude sei groß gewesen, erzählt Peter, der bei der Verbandsgemeindeverwaltung in Göllheim arbeitet. Erst habe es sehr lange gedauert, bis das Baugebiet erschlossen werden konnte. Jetzt aber sei der Traum vom Eigenheim im Heimatdorf wegen der gestiegenen Kosten ausgeträumt.

Peters Rechnung: 2011, als letztmals ein Baugebiet in Göllheim entstand, lagen die Grundstückspreise bei 135 Euro für den Quadratmeter, nun liegen sie je nach Grundstück bei mehr als 300 Euro. "Selbst wenn man nichts Besonderes will, liegt man heute schnell bei 500.000 Euro für ein Haus. Dazu die Kosten für den Bauplatz. Das ist nicht mehr zu stemmen."

Abhilfe versucht Göllheim damit zu schaffen, dass im Neubaugebiet auch Doppelhäuser gebaut werden können, die man beispielsweise auch wieder in verschiedene Wohnungen unterteilen könne. So könnten Kosten gesenkt werden.

Unsicherheit schlimmer als Teuerung

Stefan Kooths, Wirtschaftswissenschaftler am Kiel Institut für Weltwirtschaft, hört die Probleme aus Göllheim und nickt: "Die Probleme der Ortschaft stehen beispielhaft für das ganze Land." Zwar sei die Inflation zuletzt deutlich zurückgegangen. "Aber die Preise sind ja nicht gefallen, nur das Tempo der Teuerung hat sich wieder verlangsamt. Wir sind heute auf einem anderen Preissockel als noch vor zwei oder drei Jahren", erklärt der Ökonom, schränkt aber gleichzeitig ein: "Im Durchschnitt sind auch die Löhne zuletzt entsprechend nachgezogen. Der Kaufkraftverlust ist daher weitgehend aufgeholt worden."  

Die Gründe für die schlechte Konsumlaune und die sich dahinschleppende Wirtschaft sieht der Wissenschaftler woanders - in einer allgemeinen Verunsicherung: "Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung war in den vergangenen Jahren schlecht. Wir haben deutlich gestiegene Arbeitsplatzverluste", erklärt Kooths. "Vorzeigebranchen wie die Automobilwirtschaft haben Jobs abgebaut und Werke geschlossen."

"Die Menschen halten ihr Geld zusammen"

Zudem habe auch die Ampel-Regierung ein Bild des Dauerstreits abgegeben. "Das hat sich in Summe auf die Bevölkerung übertragen. Deshalb halten die Menschen weiter ihr Geld zusammen. Niemand weiß, wie es weitergeht." Deshalb werde zuerst beim Konsum gespart. Andere sparten für eine langfristige, große Investition - etwa eine eigene Immobilie. "So handeln derzeit auch sehr viele Unternehmen. Sie halten ihre Investitionen zurück, bevor die Lage wirtschaftlich wieder sicherer wird." 

Kooths schätzt, dass es in den kommenden zwei Jahren mit einer Inflationsrate von rund zwei Prozent weitergehen könnte. Mitentscheidend sei aber das weitere Ausgabeverhalten der neuen Bundesregierung.

Derzeit seien viele Wirtschaftsbereiche nicht ausgelastet. "Ich erwarte aber, dass die Betriebe in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres wieder an ihre normale Auslastung kommen", schätzt der Ökonom. "Wenn dann der Staat mit seinen schuldenfinanzierten Ausgabenprogramme immer mehr Güter nachfragt, wird nicht mehr produziert, sondern diese zusätzlichen Mittel entladen sich dann am Markt über die Inflation."

Hier sei viel gesamtwirtschaftliches Fingerspitzengefühl gefragt, mahnt Kooths. "Man darf nicht zu viel Geld auf die Probleme werfen, ansonsten wird die Teuerung wieder angeheizt."