
Inflation, Wachstum, Schulden Wie die US-Wirtschaft dasteht
US-Präsident Trump beklagt oft das hohe Handelsdefizit der Vereinigten Staaten. Dabei ist das auch ein Zeichen von Wohlstand. Wie geht es der größten Volkswirtschaft der Welt?
Die Erwartung von Wirtschaftswissenschaftlern, die amerikanische Volkswirtschaft werde durch die bisweilen chaotische Politik der neuen US-Regierung leiden, hat sich bisher nicht auf breiter Basis erfüllt. Zwar sank das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal um etwa 0,3 Prozent. Doch ist die Inflationsrate vergleichsweise niedrig - im April lag sie bei 2,3 Prozent - und die Arbeitslosigkeit gering.
Auch die Aktienkurse entwickelten sich zuletzt nicht schlecht. Da in den USA viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihre Altersvorsorge am Aktienmarkt aufbauen, spielt das amerikanische Börsengeschehen für breite Bevölkerungskreise eine viel größere Rolle als das in Kontinentaleuropa der Fall ist.
Die Handelsbilanz
Ein Dorn im Auge ist der neuen amerikanischen Regierung die Handelsbilanz. Die USA exportieren weit weniger Waren (2024: für zwei Billionen Euro), als sie importieren (2024: für drei Billionen Euro). Neue Zölle machen Importe teurer und damit unattraktiver. Im Land dürfte es deshalb mehr Nachfrage für einheimische Produkte geben.
Eine negative Handelsbilanz muss nicht unbedingt schlecht für ein Land sein. Im Falle der USA ist sie auch Zeichen von besonderem Wohlstand: Die amerikanische Volkswirtschaft kann es sich seit Jahrzehnten leisten, weltweit Waren einzukaufen. Es geht in den USA wirtschaftlich dauerhaft aufwärts.
Dynamische US-Wirtschaft
Während 2024 die Wirtschaftsleistung in Deutschland um 0,2 Prozent sank, stieg sie in den USA um 2,8 Prozent. Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF), die mit dem durchschnittlichen Dollarkurs auf Euro gerechnet wurden, zeigen: Vergangenes Jahr betrug das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland 4,3 Billionen (4.300 Milliarden) Euro, das sind 52.000 Euro pro Einwohner. In den USA waren es 28 Billionen oder 82.000 Euro pro Einwohner. Die amerikanische Wirtschaft ist also weit produktiver als die deutsche.
Internationale Wirtschaftsbeziehungen werden in der Handelsbilanz nicht vollständig abgebildet. Gerade im Fall der USA ist auch Verkauf von Dienstleistungen wichtig. Die Dienste von Google, Meta, Amazon und Netflix werden weltweit ebenso gern bezahlt wie die amerikanischer Investmentbanken. Vergangenes Jahr exportierten die USA Dienstleistungen im Wert von umgerechnet einer Billionen Euro und importierten für 750 Milliarden.
Schließlich gibt es noch direkte Zahlungen zwischen den Ländern. Beispielsweise kommen Touristen ins Land, ausländische Arbeitnehmer schicken Geld in die Heimat und Unternehmen investieren im Ausland. All das wird zur Leistungsbilanz eines Landes zusammengeführt, die für Deutschland mit 250 Milliarden Euro positiv und für die USA mit einer Billion Euro negativ ist.
Wie bezahlen die USA ihr Defizit?
Im internationalen Geschäft ist es nicht anders als im Dorfladen: Der eine bekommt Geld, die andere Ware und wenn sie es nicht schafft, ihrerseits Geld einzunehmen, ist Schluss.
Seit 80 Jahren ist der Dollar die weltweite Leitwährung schlechthin. Der internationale Handel wird in Dollar abgerechnet, viele Zentralbanken kleiner Länder steuern den Wert ihrer Währung entlang des Dollars. Die jahrzehntealte hohe Nachfrage nach Dollar hat die USA in eine Position des beliebtesten Schuldners der Welt gebracht: Der amerikanische Staat kann sich beispielsweise so billig wie kein anderes Land verschulden.
Es geht aber nicht nur um Zugang zu Verschuldung. In Amerika wird gern und viel investiert. Die USA haben den Ruf, ein solider, stabiler und verlässlicher Markt mit 340 Millionen Einwohnern zu sein. Wo, wenn nicht in Amerika, können sicherheitsbewusste Investoren und Investorinnen Geld anlegen?
Die Beliebtheit führt zu einem hohen Wert des Dollars gegenüber anderen Währungen. Wenn der sinken würde, würde Amerika für ausländische Investitionen und als Schuldner deutlich Attraktivität verlieren. Es besteht die Gefahr, dass die USA ihre internationale Stellung als erstklassiger Schuldner verlieren. Das wäre eine indirekte Folge der neuen Wirtschaftspolitik, die das Land und seine Einwohner teuer zu stehen kommen würde.
Schuldenfreudige Amerikaner
Nach Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) lag die Staatsverschuldung vergangenes Jahr in Deutschland bei 62 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In den USA war sie doppelt so hoch. Die neuen Schulden, die amerikanische Finanzminister Jahr für Jahr machen, würden ihre deutschen Kollegen unverzüglich das Amt kosten.
Nicht nur der amerikanische Staat ist spendabler als das in Deutschland und Europa denkbar ist. Auch Privatleute sind risikofreudiger als Europäer, allemal als Deutsche. Sie haben wenig Rücklagen und Versicherungen und konsumieren gern und viel. Angst vor Schulden ist wenig verbreitet; Zins und Tilgung werden oft nicht beachtet.
Nach Angaben der OECD liegen die durchschnittlichen Schulden deutscher Haushalte bei 90 Prozent des verfügbaren Jahreseinkommens und in den USA bei 103 Prozent. Deutsche Haushalte finanzieren großenteils teure Immobilien. In Amerika sind Häuser deutlich billiger; Schulden werden oft für Konsum und Ausbildung gemacht.
Lebensstandard im Vergleich
Der "Besseres-Leben-Index" ("Better Life Index") der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fasst viele Aspekte des Privatlebens zusammen und zeigt: Die meisten Menschen leben in Deutschland und den USA sehr zufrieden und sicher. Die OECD hat zudem ein Maßband entwickelt, das die wirtschaftlichen Aussichten von Privatleuten misst. Grundsätzlich bewegen sich die Erwartungen hüben wie drüben ähnlich.
Amerikaner reagieren aber heftiger auf Wirtschaftskrisen als Deutsche. Zuletzt stieg der Optimismus in Amerika deutlich und erreichte das Niveau von Deutschland.
Gründe für den Kauf ausländischer Produkte
Auch wenn die aktuellen Wirtschaftsdaten noch beruhigend wirken, kann die Wirtschaftspolitik der neuen amerikanischen Regierung den nationalen Wohlstand gefährden. Die USA können in eine Schuldenfalle geraten, die sich schneller öffnet, als sich ihr Defizit im internationalen Geschäft verringert.
Wenn ausländische Unternehmen in Amerika behindert werden, steht für den privaten Konsum ein geringeres Warenangebot zur Verfügung, Wenn sich das Angebot verringert, werden die Preise steigen. Das Angebot insgesamt wird schlechter. Amerikaner haben nicht aus Jux und mangelnder Vaterlandsliebe im Ausland gekauft. Importiert werden regelmäßig Waren, die besser sind als einheimische.