
Netanjahu wehrt sich gegen westlichen Druck "Einladung zu weiteren Gräueltaten"
Wegen des Vorgehens im Gazakrieg wächst der internationale Druck auf Israel. Premier Netanjahu reagiert mit Unverständnis auf die Drohungen von Frankreich, Kanada und Großbritannien. Bei neuen Angriffen wurden viele Palästinenser getötet.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat Drohungen aus Frankreich, Kanada und Großbritannien im Zusammenhang mit Israels Militäroffensive im Gazastreifen scharf zurückgewiesen. Der Regierungschef rechtfertigte das Vorgehen als Verteidigungskrieg ums Überleben. Mit ihrer Stellungnahme böten Frankreich, Kanada und Großbritannien der Hamas eine "riesige Belohnung für den Völkermordangriff auf Israel vom 7. Oktober" und eine "Einladung zu weiteren Gräueltaten dieser Art".
Die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und Kanada hatten Israel aufgefordert, die neue Offensive im Gazastreifen einzustellen und Hilfslieferungen nicht länger einzuschränken. Andernfalls werde man mit "konkreten Maßnahmen" reagieren. Welche Konsequenzen die drei Länder konkret in Erwägung ziehen, blieb offen.
Die Mitteilung wurde gemeinsam von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dem britischen Regierungschef Keir Starmer und seinem kanadischer Kollegen Mark Carney veröffentlicht. Das israelische Vorgehen bezeichnen sie als "ungeheuerlich" und unverhältnismäßige Eskalation. Sie würden dem nicht tatenlos zuzusehen. Das menschliche Leid in Gaza sei unerträglich.
Vermittler Katar wirft Israel "aggressives Verhalten" vor
Der Vermittlerstaat Katar sieht bei den jüngsten Gesprächen zur Beendigung des Gaza-Kriegs keine Fortschritte. "Dieses verantwortungslose, aggressive Verhalten untergräbt jegliche potentielle Chance auf Frieden", sagte Katars Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman al-Thani beim katarischen Wirtschaftsforum in der Hauptstadt Doha. Nach der Freilassung der US-israelischen Geisel Edan Alexander vergangene Woche habe Hoffnung auf ein Ende des Krieges bestanden. "Aber die Antwort war eine noch brutalere Welle von Angriffen."
Die Waffenruhe-Verhandlungen in Doha hätten bislang zu nichts geführt, da es eine "grundlegende Lücke" zwischen beiden Konfliktparteien gebe. Eine Seite arbeite auf eine Teilvereinbarung hin, mit der Hoffnung auf einen späteren umfassenden Deal. Die andere Seite strebe ein einmaliges Abkommen an, das den Krieg beendet und zur Freilassung aller Geiseln führt.
Die von den USA, Ägypten und Katar vermittelten indirekten Gespräche zwischen Israel und der islamistischen Hamas stocken seit Monaten. Die Hamas besteht auf ein endgültiges Ende der Kämpfe. Israel zielt auf eine Feuerpause zur Freilassung der Geiseln ab und will danach weiterkämpfen.
Netanjahu will "vollständigen Sieg" über Hamas
Netanjahu entgegnete, der Krieg könne morgen beendet werden, wenn die verbleibenden Geiseln freigelassen würden, die Hamas ihre Waffen niederlege, ihre "mörderischen Führer" ins Exil gingen und der Gazastreifen entmilitarisiert werde. "Dies ist ein Krieg der Zivilisation gegen die Barbarei. Israel wird sich mit allen Mitteln verteidigen, bis der vollständige Sieg errungen ist", so der israelische Premier.
Zahlreiche Tote bei Luftangriffen
Bei erneuten Luftangriffen sind in der Nacht nach palästinensischen Angaben mindestens 60 Menschen getötet worden. Die israelische Luftwaffe habe unter anderem Wohnhäuser sowie ein Schulgebäude getroffen, das als Notunterkunft gedient habe. Unter den Opfern seien viele Frauen und Kindern, hieß es vom palästinensischen Zivilschutz.
Die israelische Armee hatte am Wochenende eine neue Bodenoffensive begonnen, mit der sie den gesamten Gazastreifen unter ihre Kontrolle bringen will. Begleitet wird sie von heftigen Luftangriffen. Täglich melden die palästinensischen Behörden vor Ort Dutzende Tote - wobei ihre Angaben unabhängig kaum zu überprüfen sind.

Palästinenser bekommen in Dschabaliya Essen zugeteilt. Nach mehr als anderthalb Jahren Krieg fehlt es an fast allem.
Israel erlaubt "etwa hundert" Lastwagen mit Hilfsgütern
Nach fast dreimonatiger Blockade haben erste Hilfslieferungen den Gazastreifen erreicht. Israel habe insgesamt etwa Hundert Lastwagen mit Hilfsgütern die Einfahrt in den Gazastreifen genehmigt, sagte ein Sprecher der Vereinten Nationen.
Am Montag hatten erstmals nach Wochen israelischer Blockade fünf UN-Lastwagen Hilfslieferungen in den Gazastreifen bringen können. UN-Organisationen erklärten jedoch, das reiche bei weitem nicht aus, um den großen Bedarf an Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Hilfsgütern zu decken. Während der Feuerpause Anfang des Jahres seien jeden Tag bis zu 600 solcher Lastwagen in den Gazastreifen gefahren.
Mit der jetzt erteilten Erlaubnis für Hilfslieferungen will Israel nach eigenen Angaben eine Grundversorgung sicherstellen und eine Hungersnot im großflächig zerstörten Gazastreifen verhindern. Dort fehlt es nach Einschätzung von Beobachtern rund zwei Millionen Palästinenserinnen und Palästinensern nach mehr als anderthalb Jahren Krieg an so gut wie allem.