
Trotz Kita-Job in Offenbach Erzieherin aus Afghanistan abgeschoben
Amira ist vor drei Jahren aus Afghanistan geflohen. Sie arbeitete in einer Kita in Offenbach und hoffte auf ein neues Leben. Doch plötzlich wurde sie nach Litauen abgeschoben. Ihr Kita-Team ist fassungslos.
Die Sprachnachricht kam früh am Morgen, eine Kollegin hörte sie zuerst. "Ich kann heute nicht kommen, die Polizei ist da." Viel mehr hat Amira nicht gesagt. Kurz darauf war sie verschwunden - abgeschoben aus dem Alltag einer hessischen Kita in ein Aufnahmelager in Litauen.
"Mir geht es psychisch sehr schlecht. Ich weine viel und weiß nicht weiter", sagt sie tagesschau.de am Telefon. Ihren echten Namen möchte sie aus Schutzgründen nicht veröffentlicht sehen.
Amira stammt aus Afghanistan. Vor drei Jahren musste sie ihr Zuhause, ihren Job, ihr Leben zurücklassen. Nach der Machtübernahme der Taliban floh sie zunächst nach Litauen, wo sie Schutz erhielt. "Ich hatte dort eine Aufenthaltserlaubnis und grundsätzlich die Arbeitserlaubnis. Aber leider wurde mir dort keine Chance gegeben, mich einzubringen", sagt sie. Deshalb sei sie weitergezogen.
"Wir waren beeindruckt, aber erst skeptisch"
2022 begann sie in Offenbach ein neues Leben. Sie lernte Deutsch - erst mit YouTube-Videos, später im Sprachkurs. Dann bewarb sie sich bei der Kita "Die Krabbelstubb".
"Schon bei ihrer Bewerbung waren wir beeindruckt", sagt Vorständin Hanna Fischer. "Aber wir dachten auch: Das kann man ja heute mit ChatGPT alles glätten." Amira überzeugte aber auch vor Ort. "Sie sprach erstaunlich gutes Deutsch, war herzlich, engagiert - einfach eine Bereicherung."
Schnell übernahm sie Verantwortung. Sie betreute eine eigene Kindergruppe, organisierte Yogakurse, schrieb sogar den Kita-Newsletter. "Und selbst in der Extremsituation der Abschiebung hat sie noch Bescheid gesagt, dass sie nicht kommen kann“, sagt Fischer. Das zeige, welchen Stellenwert die Kita-Arbeit für sie gehabt habe.
Auf dem Weg zur offiziellen Anerkennung
Amira hatte in Afghanistan Pädagogik studiert und auch dort als Erzieherin gearbeitet. In Deutschland war sie auf dem Weg zur offiziellen Anerkennung. Gerade lief ihr zweites berufspraktisches Jahr - der letzte Schritt zur Fachkraft. "Wir hatten sie fest eingeplant", sagt Geschäftsführer Bastian Klinzing.
"Ich war glücklich", sagt Amira. "Ich wollte hier bleiben, arbeiten, einen Unterschied machen für die Kinder." Dann kam die Polizei. "Ich war im Schlafanzug. Ich durfte nur das Nötigste mitnehmen." Ihre Stimme bricht am Telefon. "Ich wusste: Mein Leben, wie ich es aufgebaut hatte, ist vorbei."
Für die Kinder entsteht eine Lücke
Amira erzählt, dass sie sich erschöpft fühle. Sie habe geglaubt, dass Sprache, Arbeit und gesellschaftliches Engagement ihr eine Perspektive verschaffen würden. Aber das habe niemanden interessiert. Jetzt sei sie verzweifelt und wisse nicht, wie es weitergehen solle. "Ich hätte nie gedacht, dass man so tief fallen kann, obwohl man alles richtig machen wollte."
Auch für das Kita-Team war es ein Schock. "Wir waren sprachlos", sagt Fischer. Für die Kinder sei plötzlich eine Lücke entstanden. Zwei Gruppen mussten zusammengelegt, Eltern informiert werden. "Alle wollten wissen: Wo ist Amira?", sagt sie.
"Wir sprechen ständig über Fachkräftemangel", sagt Geschäftsführer Bastian Klinzing. "Und dann wird jemand wie Amira einfach abgeschoben? Das ist frustrierend."

Bastian Klinzing und Hanna Fischer vom Kita-Träger "Die Krabbelstubb" setzen sich für Amiras Rückkehr ein. Sie prüfen rechtliche Wege für eine mögliche Rückkehr.
Integration spielt im Asylverfahren keine Rolle
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) teilt auf Anfrage mit: Ob jemand Deutsch lerne, arbeite oder integriert sei, habe "keinen Einfluss auf das Asylverfahren".
"Das BAMF prüft ausschließlich, ob einer Person bei Rückkehr in ihr Herkunftsland eine Gefahr droht", so die Behörde. Nach einem abgelehnten Asylantrag ergehe eine Ausreiseaufforderung. Die Abschiebung liege dann in der Verantwortung der Ausländerbehörden.
Im Fall Amira war laut Kita-Leitung ausschlaggebend, dass sie bereits in Litauen Schutz erhalten hatte. Eine Rückkehr wäre theoretisch über ein Arbeitsvisum möglich. Nach einer Abschiebung gilt allerdings in der Regel eine Einreisesperre. Wie lange sie in Amiras Fall greift, ist unklar.
Zurück in der Unsicherheit
Amira lebt nun wieder in Litauen in einer Flüchtlingsunterkunft, gemeinsam mit ihrem Bruder. Die Bedingungen seien schwierig. "Ich kann gerade nicht klar denken", sagt sie. "Ich bin verzweifelt. Ich wünsche mir einfach, dass das alles nicht wahr ist."
Sie vermisse die Kinder, die Kita, das Team. Besonders als Frau falle es ihr schwer, mit der Situation umzugehen, sagt sie. "In Afghanistan ist es nicht einfach als Frau." In Deutschland habe sie gehofft, endlich ihren Platz zu finden. "Ich hatte das Gefühl, ich bin angekommen. Jetzt fange ich wieder bei Null an."
Hoffnung auf Rückkehr
Ihr Appell: "Ich wünsche mir, dass die Behörden nicht nur auf das Papier schauen. Sie sollen sehen, wer ich bin. Warum darf ich nicht bleiben?" Ihr Schutzstatus in Litauen gilt noch bis 2027. Was danach passiert, weiß sie nicht.
Auch der Aufenthalt ihrer Familie in Deutschland ist unklar. Trotz allem gibt sie die Hoffnung nicht auf: "Ich will zurück. Ich will meine Ausbildung zu Ende bringen. Das wird für immer mein Traum bleiben."
Die Kita setzt sich weiter für sie ein. "Wir prüfen alle Wege, ob und wie eine Rückkehr möglich ist", sagt Geschäftsführer Klinzing. "Wir stehen weiter hinter ihr."