Die Statue "Der Bulle und der Bär" vor der Frankfurter Börse.
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DAX geht auf Erholungskurs Können die Börsen Trump diesmal trauen?

Stand: 20.06.2025 13:07 Uhr

Die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung im Nahost-Konflikt gibt dem DAX Auftrieb. Marktbeobachter sind aber skeptisch: Ist Trumps Zwei-Wochen-Frist am Ende nur ein Täuschungsmanöver?

Am Ende einer bislang schwachen Woche geht der DAX auf Erholungskurs. In der Spitze geht es bis auf 23.320 Punkte aufwärts, zur Mittagszeit liegt das deutsche Börsenbarometer noch 0,9 Prozent im Plus bei 23.256 Zählern.

DAX-Kursgewinne mit Vorsicht zu genießen

Investoren reagieren erleichtert auf eine Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, nun innerhalb von zwei Wochen zu entscheiden, ob die USA in den Konflikt zwischen Israel und dem Iran eingreifen werden. In Medien war zuletzt spekuliert worden, ein US-Schlag gegen den Iran könne schon in den kommenden Tagen bevorstehen.

Doch die Kursgewinne im DAX sind mit Vorsicht zu genießen; Marktbeobachter bleiben skeptisch. "Die Lage bleibt generell weiter angespannt, und sollte die Situation im Mittleren Osten weiter eskalieren und die Diplomatie nicht erfolgreich sein, wäre auch mit einem längerfristigen Rücklauf zu rechnen", gibt ING-Experte Christian Zoller zu bedenken.

US-Militärschlag im Iran doch schon am Wochenende?

Dabei mahnt auch das nahende Wochenende die Anleger zur Vorsicht. Denn die Ankündigung einer zweiwöchigen Bedenkzeit könnte auch ein Trick von Trump sein: ein Täuschungsmanöver, um den Eindruck zu erwecken, ein Militärschlag der USA stehe noch nicht unmittelbar bevor.

Ein Eingreifen der USA bereits an diesem Wochenende liegt somit weiterhin im Bereich des Möglichen - entsprechend hoch sind die Risiken für all jene Anleger, die übers Wochenende investiert bleiben.

Hinzu kommt: Auch aus technischer Perspektive hatten sich zuletzt die Warnsignale am deutschen Aktienmarkt gehäuft. So war der DAX zuletzt unter seine alte Ausbruchsmarken bei 23.300/23.400 Punkten zurückgefallen. Ein erster Versuch der sogenannten "Bullen" (die auf steigende Kurse wetten), diese wichtige Zone zurückzuerobern, ist heute zunächst gescheitert. Mit dem jüngsten Rutsch unter die 50-Tage-Linie, ein wichtiger Indikator für den mittelfristigen Trend, sendet der DAX zudem ein Verkaufssignal.

Die Wall Street steuert nach dem gestrigen Feiertag auf leichte Kursverluste zum Handelsstart zu. Der Future auf den Dow-Jones-Index liegt aktuell 0,2 Prozent im Minus. Gestern waren die US-Börsen wegen des Feiertags "Juneteenth" zum Gedenken an die Befreiung der afroamerikanischen Bevölkerung der Vereinigten Staaten aus der Sklaverei geschlossen geblieben.

Für besondere Spannung an den Börsen sorgt heute nicht zuletzt der große Verfallstag: Am sogenannten Hexensabbat laufen Optionen und Futures auf Aktien und Indizes an den Terminbörsen aus. Aktienkurse und auch Indizes können heute also auch ohne wesentliche Nachrichten spürbar schwanken.

In der Vergangenheit waren große Verfallstermine oft Wendepunkte, findet an diesen Tagen doch eine Marktbereinigung statt, die häufig den Boden für einen längerfristigen Trendwechsel bilden kann.

Unterdessen senden auch die Ölpreise ein klares Entspannungssignal. Zur Mittagszeit geben sie deutlich nach: Die Nordseesorte Brent verbilligt sich um 2,3 Prozent auf 77,04 Dollar je Barrel (159 Liter). Seit Beginn der israelischen Luftangriffe auf den Iran am vergangenen Freitag waren die Ölpreise um gut elf Prozent in die Höhe geklettert. Investoren fürchteten, dass eine Ausweitung des Konflikts im Nahen Osten zu Versorgungsengpässen am Ölmarkt führen könnte.

Entspannungssignale kommen auch vom Devisenmarkt: Der Dollar, der angesichts der stark gestiegenen geopolitischen Spannungen in den vergangenen Tagen seinen Status als sicherer Hafen wieder zurückgewinnen konnte, ist zum Wochenschluss nicht mehr gefragt. Der Euro zieht aktuell um 0,2 Prozent auf 1,1531 Dollar an.

Preisdaten aus Deutschland haben dem Euro keinen größeren Impuls gegeben. Im Mai waren die deutschen Erzeugerpreise im Jahresvergleich um 1,2 Prozent und damit den dritten Monat in Folge gefallen.

Dies deutet auf einen nachlassenden Inflationsdruck hin: Denn in der Statistik werden die Preise für gewerbliche Produkte - von Nahrungsmitteln bis hin zu Industriegütern - geführt, bevor sie weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen. Sie lassen daher frühe Rückschlüsse auf die Entwicklung der Verbraucherpreise zu.

Die nachlassende Risikoaversion der Anleger macht sich derweil auch am Markt für Edelmetalle bemerkbar: Der Goldpreis gibt weiter nach, sinkt aktuell um 0,4 Prozent auf knapp 3.357 Dollar. Anfang der Woche war das als sicherer Hafen beliebte gelbe Edelmetall noch bis auf 3.452 Dollar gestiegen.

Aktien von Infineon gehören mit einem Kursplus von knapp zwei Prozent zur Mittagszeit zu den größten DAX-Gewinnern. Hintergrund ist eine positive Analystenstimme: Johannes Schaller von der Deutschen Bank wies in einem Kommentar auf eine verbesserte Dynamik auf dem Markt für Halbleiterchips für die Autoindustrie hin. Er hob sein Infineon-Kursziel auf 42 Euro an.

Im MDAX ist die TUI-Aktie mit einem Plus von knapp sechs Prozent der mit Abstand größte Kursgewinner. Verantwortlich für den Kurssprung ist Barclays-Analyst Andrew Lobbenberg, der die TUI-Papiere von "Underweight" auf "Overweight" hochstufte und damit die Zwischenstufe "Equal Weight" übersprang. Das Kursziel schraubte der Experte von 7,70 auf 11,00 Euro nach oben.

Der Aufsichtsrat des kriselnden Industriekonzerns Thyssenkrupp kommt heute zusammen. Dabei geht es Insidern zufolge um die Pläne für eine Verselbstständigung der Marinesparte und um eine Verlängerung des Vertrags von Vorstandschef Miguel Lopez. Der stellvertretende Aufsichtsrats-Chef und Vize-Chef der Gewerkschaft IG Metall, Jürgen Kerner, hat bereits angekündigt, gegen eine Verlängerung zu stimmen.

Der Elektrolysespezialist Thyssenkrupp Nucera übernimmt wesentliche Technologie-Teile vom kriselnden dänischen Unternehmen Green Hydrogen Systems. Mit der modularen Hochdruck-Elektrolyse-Technik der Dänen wolle Thyssenkrupp Nucera das eigene Portfolio sogenannter "grüner" Wasserstofftechnologie ausbauen, teilten die Dortmunder mit. Finanzielle Details nannte der Konzern nicht.

Unterdessen haben die Pläne für eine klimafreundliche Stahlproduktion in Deutschland durch die Absage eines wichtigen Projekts von ArcelorMittal einen schweren Dämpfer erhalten. Der Konzern teilte gestern mit, milliardenschwere Projekte für die Flachstahlwerke in Bremen und Eisenhüttenstatt nicht weiter zu verfolgen. Der Bund wollte diese mit 1,3 Milliarden Euro fördern.

Die dänische Container-Reederei Maersk läuft wegen der Eskalation in Nahost den Hafen in der israelischen Stadt Haifa vorerst nicht mehr an. Darüber hinaus gebe es keine weiteren Auswirkungen auf den Betrieb in der Region. Hapag-Lloyd hatte unmittelbar nach Beginn der israelischen Angriffe erklärt, aktuell keine Schiffe in iranischen oder israelischen Gewässern zu haben.

Eine Übernahme der italienischen Banco BPM durch die heimische Großbank UniCredit wird nach Ansicht ihres Vorstandsvorsitzenden Andrea Orcel immer unwahrscheinlicher. Das Angebot für den kleineren Konkurrenten werde wahrscheinlich zurückgezogen, sagte der UniCredit-Chef in einem Interview mit der Tageszeitung "La Repubblica". Grund seien Auflagen durch die Regierung in Rom.

Mit Informationen von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion.