Wasserstofffähiges Gaskraftwerk der EnBW in Stuttgart.

Pläne der Bundesregierung Wie klimafreundlich sind Gaskraftwerke?

Stand: 21.05.2025 06:00 Uhr

Die Bundesregierung plant im großen Stil neue Gaskraftwerke - Wirtschaftsministerin Reiche spricht von mindestens 20 Gigawatt. Wie passt das zu Deutschlands Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein?

Von Judith Kösters und Katharina Wilhelm, HR

Unstrittig ist: Gaskraftwerke haben einen enormen Vorteil. Anders als zum Beispiel Kohlekraftwerke kann man sie sehr schnell je nach Bedarf an- und wieder abschalten.

Unstrittig ist aber auch: Gas ist ein fossiler Brennstoff. Beim Verbrennen entsteht das Treibhausgas CO2, und zwar neuesten Studien zufolge ähnlich viel wie bei der Kohle. Das scheint zunächst überhaupt nicht zum Ziel Deutschlands zu passen, bis 2045 klimaneutral zu werden.

"Ausschreibungen möglichst bald starten"

Der Umstieg auf andere Energieformen ist notwendig. Aktuell sind in Deutschland rund 30 Gigawatt Kohle-Kraftwerksleistung am Netz. Noch - denn der Kohleausstieg ab Mitte der 2030er-Jahre ist beschlossen. Bis dahin sollen Windenergie und Photovoltaik noch stärker ausgebaut werden.

Aber was, wenn die Sonne mal nicht scheint und der Wind nicht weht? Auch die Ampelkoalition wollte dazu Gaskraftwerke bauen lassen. Jedoch nicht so viele wie nun die schwarz-rote Koalition.

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche sagte bereits kurz nach Amtsantritt, man benötige gegebenenfalls sogar noch mehr Gaskraftwerke, als die im aktuellen Koalitionsvertrag festgehaltenen 20 Gigawatt. In einem Vortrag beim Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee sprach sie von "mindestens 20 Gigawatt“, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Deutschland brauche diese "schnell“. Deswegen sollten die Ausschreibungen dazu möglichst bald starten.

Energiebedarf versus Klimaziele?

Die große Frage ist: Wird dieser Ausbau die Treibhausgasemissionen dauerhaft so hochtreiben, dass Deutschland sein Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein, gar nicht mehr erreichen kann?

Marc-Oliver Bettzüge, Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts der Uni Köln und Mitglied des Expertenrats Klima der deutschen Bundesregierung meint: nicht unbedingt. Wenn die Gaskraftwerke tatsächlich nur punktuell als sogenannte Back-up-Kraftwerke zum Einsatz kämen, dann hätten sie in den Gesamtemissionen "eine untergeordnete Bedeutung".

So betrachtet wären Gaskraftwerke eine gute Ergänzung zu den erneuerbaren Energien: fossil und damit klimaschädlich, aber punktgenau, flexibel und sparsam einsetzbar.

Kritik an "fossiler Denkweise"

Energieökonomin Claudia Kemfert misstraut dieser positiven Sicht aufs Gas. Sie leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und ist wie Bettzüge ebenfalls Mitglied eines Gremiums, das die Bundesregierung in Umweltfragen berät, und zwar des Sachverständigenrats für Umweltfragen.

Kemfert ist überzeugt, dass die Bundesregierung zu Unrecht so stark auf neue fossile Kraftwerke setze. Die Regierung übersehe andere Möglichkeiten, wie sich Wind- und Solarstrom in den kommenden Jahren sinnvoll ergänzen ließen.

Mit Batteriespeichern zum Beispiel, die überschüssigen Strom aufnehmen und bei Bedarf wieder ins Netz abgeben können. "Die Rolle von Batterien wird deutlich zunehmen, was daran liegt, dass die Kosten für Batterien massiv nach unten gehen." Die Regierung berücksichtige das nicht ausreichend, weil sie "noch in einer fossilen Welt denkt und nicht in einer erneuerbaren, sehr flexiblen Welt".

Woher soll der Strom kommen?

Wenn Sonne und Wind keine Energie liefern können, könnte Strom nicht nur aus anderen Quellen geholt oder Batteriespeicher genutzt werden. Eine weitere Rolle spielen Industrie und Verbraucher. Diese könnten dazu animiert werden, Strom verstärkt dann zu nutzen, wenn viel im Netz ist - zum Beispiel, indem er dann automatisch billiger ist.

Claudia Kemfert sagt, mit dieser Kombination bräuchte es eigentlich auch keine neuen Gaskraftwerke. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen habe das durchgerechnet. Und: Gaskraftwerke seien eben bei Weitem nicht die einzige Art Kraftwerk, die man flexibel an- und abschalten könne.

Flexible Kraftwerke könnten auch nachhaltige Biomassekraftwerke sein, Wasserkraft oder Geothermie. Diese können laut Kemfert "die ganze Zeit genau das leisten, was man bei der Regierung nur mit fossilen Kraftwerken will".

Kritik kommt auch von Umweltverbänden. Die Klimaschutz-NGO Germanwatch etwa schreibt: Der Zubau von Gaskraftwerken sollte "auf das absolut Notwendige beschränkt und vom beschleunigten Ausbau anderer Flexibilitätsoptionen begleitet sein".

Gas zu teuer?

Nicht alle Klimafachleute sind also per se gegen neue Gaskraftwerke. Aber viele haben die Sorge, dass die Regierung sich zu einseitig darauf festlegt - und vor allem zu große Kapazitäten plant und zu viele Steuergelder ausgibt, die dann an anderer Stelle fehlen.

Und nicht nur der Bau, auch der Betrieb von Gaskraftwerken ist laut Kemfert "enorm teuer". Deutschland müsse dafür etwa Fracking-Gas importieren, was "sehr umweltschädlich ist und dann auch noch die Preise nach oben treibt".

Dabei habe die neue Regierung gerade im Gegenteil versprochen, die Strompreise zu senken - das passe nicht zusammen. Kemfert hält die Gaskraftwerkspläne der Regierung deshalb grundsätzlich für falsch. Sie könne sich die Entscheidung nur so erklären, dass es "noch immer große Vorbehalte der Energiewende gegenüber" gebe, "gerade aus der sehr konservativ denkenden Welt".

Entscheidend wird der Einsatz sein

Theoretisch sei es zwar möglich, die neuen Gaskraftwerke nur sehr punktuell und in der Folge mit wenigen Klima-Emissionen zu nutzen, aber das hält die Ökonomin für unwahrscheinlich. Sie geht davon aus, "dass jedes fossil betriebene Gaskraftwerk dann auch im Einsatz sein will, wenn es denn gebaut wird".

Zumal Ministerin Reiche ihre Kraftwerksstrategie laut eigener Aussage mit langfristigen Gas-Lieferverträgen untermauern wolle. Am Ende erhöhe das die CO2-Emissionen und zementiere die fossilen Geschäftsmodelle.

Käme es tatsächlich so, dürfte Deutschland bis 2045 wohl nur schwer klimaneutral werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 16. Mai 2025 um 23:42 Uhr.