
Umgang mit USA "Trump das Gefühl geben, ein großer Staatsmann zu sein"
Auf die USA von Präsident Trump können sich die Europäer immer weniger verlassen. Was folgt daraus für Brüssel und Berlin? Sicherheitsexperte Masala rät zu einem selbstbewussten Auftreten gegenüber Trump - und Schmeichelei.
NDR Info: Herr Masala, es gibt Spekulationen, dass Russland am Montag in der Türkei wieder mit der Ukraine verhandeln will. Was ist die deutsche Rolle, wenn Kanzler Merz schon öffentlich einschätzt, Russland wolle gar keinen Frieden?
Carlo Masala: Das ist eine ziemlich realistische Rolle, weil wir ja sehen, dass Russland noch immer keine Vorschläge der Ukraine übermittelt hat und dass die russische Delegation, die in Istanbul sein wird, eine relativ niedrigrangige ist ohne ein politisches Mandat. Und weil wir ja sehen, dass Russland gerade dabei ist, eine neue Offensive gegen die Ukraine zu führen. Das sind alles Zeichen, die darauf hindeuten, dass Russland zu ernsthaften Verhandlungen wirklich nicht bereit ist.

"Schlechtmöglichste Entwicklung"
NDR Info: In Ihrem Buch mit dem Titel "Wenn Russland gewinnt" beschreiben Sie Szenarien. Haben Sie die jetzigen Entwicklungen so erwartet?
Masala: Es ist ein Szenario, das sozusagen von von der schlechtmöglichsten Entwicklung ausgeht. Und momentan muss man sagen, dass vor allem die Frage einer ukrainischen Niederlage im Sinne der Tatsache, dass die USA Russland alles geben wollen, was Russland will, doch ziemlich realistisch geworden ist.
NDR Info: Kanzler Merz möchte, dass das NATO-Treffen im Juni zu einem Erfolg für die USA wird, damit Trump Europa nicht komplett abschreibt. Wie geschickt ist der Kurs von Merz?
Masala: Er resultiert aus der Notwendigkeit, dass die Europäer sehen, dass sie ohne den konventionellen Schutz der Vereinigten Staaten für die nächsten Jahre nicht in der Lage sein würden, sich gegen eine russische Aggression zu verteidigen. Gleichzeitig ist es so, dass mit der Vereinbarung auf Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung, die europäischen NATO-Staaten genug Geld zur Verfügung zu haben, um die eigene Verteidigungsfähigkeit zu verbessern. Falls sich die USA aus Europa zurückziehen sollten.
Also es ist eine Absicherung nach beiden Seiten: Es ist der primäre Versuch, die USA in Europa zu halten. Aber wenn das nicht funktioniert, belastbare Vereinbarungen zu haben, dass Europa genug Geld hat, um seine eigene Verteidigungsfähigkeit zu garantieren.
"Wichtig ist, was Trump denkt"
NDR Info: Deutschland und viele andere NATO-Länder haben viele Jahre zu wenig in das Militär und die Verteidigung investiert. Die USA kritisiert dies massiv. Bei seinem Antrittsbesuch in den USA bekräftigte Außenminister Wadephul nun das Fünf-Prozent-Ziel. Amtskollege Rubio lobte, dass Deutschland nun ins Handeln komme. Aber wie belastbar sind diese Beziehungen?
Masala: Ja, ich glaube, es sind nur Momentaufnahmen. Das Wichtige ist, wie Donald Trump über diese Beziehungen denkt. Und man darf einfach nicht verkennen, dass die Vereinigten Staaten sich aus Europa zurückziehen wollen. Wir haben Diskussionen im Pentagon, die gehen dahin, einen gewissen Teil amerikanischer Truppen bereits in absehbarer Zukunft zurückzuziehen. Wir haben Diskussionen in den USA, dass einer der beiden strategischen Kommandeure, nämlich der sozusagen höchste NATO-Repräsentant in Europa, demnächst kein US-Amerikaner, sondern ein Europäer sein soll.
Das sind alles Diskussionen, die darauf hindeuten, dass egal was beim NATO-Gipfel im Juni passiert, die Vereinigten Staaten einen graduellen Rückzug aus Europa vornehmen werden. Und die Entscheidung obliegt letzten Endes dem amerikanischen Präsidenten, unabhängig davon, was ein Verteidigungsminister oder ein Außenminister dazu sagen.
"Umschmeicheln mit europäischem Selbstbewusstsein"
NDR Info: Das erste persönliche Treffen zwischen Trump und Merz soll vermutlich vor dem G7-Gipfel Mitte Juni stattfinden. Wie muss Merz im Oval Office auftreten, um von Trump ernst genommen zu werden?
Masala: Er muss bestimmt auftreten, aber gleichzeitig natürlich auch die Strategie fahren, die die Europäer jetzt seit einem halben Jahr fahren, beziehungsweise seit Trump im Amt ist: Trump beständig das Gefühl geben, dass er ein großer Staatsmann ist, der eine richtige Vision hat. Also dieses Umschmeicheln mit europäischem Selbstbewusstsein, glaube ich, ist die adäquate Strategie, die allerdings noch kein Garant dafür ist, dass sie letzten Endes Erfolg haben wird.
NDR Info: Kann man nur auf Sicht fahren oder kann man eine langfristigere Strategie auch als Europa mit Blick auf die Situation in der Ukraine entwickeln?
Masala: Ich glaube, die langfristigere Strategie, die man entwickeln kann, basiert auf der Annahme, dass die Vereinigten Staaten die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine verlassen werden und sich auch nicht mehr als europäische Macht definieren.
Das heißt, die Frage zu stellen: Was kann und ist Europa bereit zu leisten, wenn die Vereinigten Staaten als wichtigster Unterstützer der Ukraine wegfallen? Und Tempo an den Tag zu legen, wenn es um die Frage der europäischen Verteidigungsfähigkeit und der Souveränität in der europäischen Verteidigungsfähigkeit geht. Das ist die langfristige Strategie. Die muss sich auf Europa konzentrieren.
Ich glaube, Friedrich Merz hat am Wahlabend das Richtige gesagt: Man kann sich auf die USA nicht mehr verlassen. Also, wenn Donald Trump heute das sagt, gibt es keinen Verlass, dass er morgen nicht genau das Gegenteil sagt und macht.
Das Interview führte Birgit Langhammer, NDR Info. Für die schriftliche Fassung wurde es redigiert und gekürzt.